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Türkische Gastfreundschaft

Am Nachmittag erreichen wir die mächtige türkische Grenze bei Ipsala. Der Grenzübergang läuft problemlos und hier wird auch mal unser Kofferraum kontrolliert. Nach ca. 30 km erreichen wir eine Tankstelle und tanken bei günstigen Preisen, erstmals seit Beginn der Reise unter einem Euro pro Liter, unsere Elke voll. Wir fahren weiter Richtung Süden und versuchen, noch ein paar Kilometer zu machen, bevor es dunkel wird. In Esceabat nehmen wir die Fähre nach Çanakkale und steuern einen Übernachtungsplatz beim Golf von Edremit an.

 
 

In der Früh entscheiden wir uns, den Weg durch das Landesinnere Richtung Denizli zu nehmen. Die Strecke ist uns für den Tag zu weit und wir finden nach 250 gefahrenen Kilometern einen Übernachtungsplatz auf einem ausgetrockneten See. Der ehemalige Marmara Golu See wird jetzt für den Getreideanbau genützt. Wir sprechen mit einem Bauern, der uns gerne hier übernachten lässt, solange wir kein Feuer machen und genießen den Sonnenuntergang.

 
 

Am späten Abend steht dann ein Polizeiauto mit Blaulicht und acht freundlichen Beamten vor unserem Bus im nirgendwo, für eine Passkontrolle. Der Grund wird uns nicht verraten, aber auch sie sagen, dass es kein Problem ist, hier zu übernachten. Danach entscheiden wir trotzdem, unseren Übernachtungsplatz auf einen Feldweg zu verlegen und vor dem Frühstück weiterzufahren. Wir haben von anderen Reisenden schon viele Geschichten gehört, dass das hier normal ist, aber das war unsere erste und wird die einzige Polizeikontrolle für uns in der Türkei sein. In der Früh werden wir durch die knallende Hitze aus unserem Bus gelockt und wir machen uns auf den Weg nach Denizli. Der Tag ist wieder lange und heiß, wir fahren mit wenigen Pausen über das Hochplateau. In Denizli ist Shopping angesagt, die Lebensmittelvorräte werden am Markt aufgefüllt und beim Baumarkt ein paar Sachen für Elke und fürs Klettern besorgt.


Dann fahren wir nach Pamukkale, weil wir die weißen Terassen auf einer Öamtc-Broschüre gesehen haben. Dort angekommen, sind wir schockiert von den hohen Eintrittspreisen und entscheiden, kein Geld für diesen Fotospot auszugeben. Beim Auskundschaften der Zäune rund um den weißen Stein holt uns ein Restaurantmitarbeiter von der Straße und bietet uns für einen guten Preis an, im zum Campingplatz umfunktionierten Garten des Restaurants zu übernachten. Wir genehmigen uns also das zweite mal auf unserer Reise einen Campingplatz und nützen bei den heißen Temperaturen den Pool, der laut Besitzer das gleiche Thermalwasser hat, wie in den weißen Terassen fließt und in welchem schon Kleopatra badete. Das besänftigt unsere Enttäuschung darüber, das „Cotton Castle“ nicht zu besuchen. Unser Nachbarvan ist zufällig ein Pärchen aus Österreich, welches gerade vom Irak wieder zurück in die Heimat unterwegs ist, daher gibt es bei Melone und Bier viel Gesprächsstoff.


Bei Sonnenuntergang juckt es uns dann doch in den Füßen und wir gehen über die Hinterseite die ausgetrockneten weißen Terassen des Cotton Castle hinauf. Oben genießen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang mit Blick über den schneeweißen Stein. Die berühmten Wasser-Terassen sehen wir zwar nicht, aber dafür gibt es außer uns sonst niemanden dort. Am nächsten Tag werden wir schon vor Sonnenaufgang vom Zischen der Heißluftballons geweckt, welche die Szenerie malerisch erscheinen lassen.

 
 

Wir machen uns nach dem Frühstück auf den Weg Richtung Antalya, bzw. dem nächsten Kletterspot Geyikbayiri und suchen uns 90km vor unserem Ziel einen Übernachtungsplatz auf einem Hochplateau auf ca. 1500m. Wir genießen die kühleren Temperaturen und die schöne Natur rund um uns. Gegen Abend stoppt dann ein Auto neben uns und ein Mann sagt uns, er wohne um die Ecke und wir seien seine Gäste. Wir nehmen das Angebot an und fahren dem Auto auf einer holprigen Straße hinterher. Die Hausherrin fragt uns, ob wir was essen wollen. Als ihr René mitteilt, dass wir schon im Bus gegessen haben, spricht sie in unseren Handy-Übersetzer: „Sei bitte einfach ein Mensch.“ Nach einem Glas Tee werden wir dann in die Küche gebeten und bekommen einen vollen Tisch mit lauter frisch gekochten Leckereien geboten. Der Abend verläuft lustig und dank Übersetzungsapp plaudern wir bis in die Nacht hinein. Als wir unsere weiteren Routenpläne erzählen, warnt man uns vor dem Osten, vor Mersin und dessen Umgebung. Es sei sehr gefährlich, weil es viele Geflüchtete und Armut gibt. Auch die beiden könnten sich wegen der Inflation das Leben kaum leisten, sie leben von der Hand in den Mund. Am nächsten Morgen werden wir aus dem Bus geklopft und finden einen vollen Frühstückstisch vor. Wir verabschieden uns danach und bekommen noch reichlich frisches Gemüse und Eingelegtes aus dem Garten als Geschenke.

 
 

Wir fahren weiter Richtung Antalya und von dort noch ca. 30 min zu unserem Kletterspot für die nächsten Tage. In Geyikbayiri erreichen wir gegen Abend unseren Übernachtungsplatz mit traumhafter Aussicht auf die Berge und Kletterwände. Wir klettern nur abends, weil wir tagsüber am Fluss versuchen, der Hitze auszuweichen. Von einem ansässigen Kletterer und Camper bekommen wir den Kletterführer geborgt.  Wir treffen auch viele russische Kletter*innen, welche zu tausenden in die Türkei bzw. nach Antalya geflüchtet sind.

 
 

Unsere mobile Blechhütte erwärmt sich auf dem schattenlosen Parkplatz auf Grade jenseits von Gut und Böse. Die Temperaturen sind tagsüber so heiß, dass wir nach wenigen Tagen entscheiden, uns auf den Weg nach Antalya und zum Meer aufzumachen. Die erste Nacht verbringen wir in der Innenstadt am Meer, wo wir den Kletterer aus Geyikbayiri wieder treffen, um den geborgten Kletterführer zurückzugeben. Wir gehen am Abend zu Fuß in die Innenstadt und finden ein Straßen-Lokal zum Essen.

 
 

Der nächste Morgen startet mit wenig Wind und unglaublicher Hitze. Der Meerzugang ist hier nur über eine Klippe zu erreichen und wir fahren zu einem Platz am Meer am Stadtrand von Antalya. In den zahlreichen Seitenstraßen stehen fast ausschließlich (Dauer-)Camper und wir ergattern nur mit Glück einen Platz, nicht weit vom Meer und den Toiletten. Der erste Weg geht gleich mal zum Meer, um unsere überhitzten Körper abzukühlen. Am Meer lernen wir einen Mann kennen, welcher Deutsch und Türkisch spricht. Wir fragen ihn, wo wir in der Nähe eine Melone kaufen können. Ein Kollege von ihm, welcher sich als Dschgengis Khan vorstellt, bietet uns an, eine Melone mit dem Fahrrad zu holen. Während wir auf die Melone warten, schmiert sich Serkan, der Lifeguard, mit  einem Meeresschlamm ein, weil er meint, dieser sei gut für die Haut. Also hat René kurze Zeit später angenehm kühlen Schlamm am ganzen Körper. Dann ist Dschengis zurück und wir genießen gemeinsam die Melone. So beginnt eine lustige und aufregende Freundschaft für die nächsten Tage, die wir in Antalya verbrigen. Dschengis und Serkan wohnen dauerhaft in einem Caravan, weil sie sich durch die hohe Inflation und fehlende Lohnanpassungen die Mieten nicht mehr leisten konnten. Zum Glück ist (Wild-)Campen in der Türkei nicht nur erlaubt, sondern gang und gäbe. Ebenso werden fast überall öffentliche Toiletten, Trinkwasser und oft auch Duschen von den Gemeinden oder in den Gebetshäusern zur Verfügung gestellt.


In der Früh werden wir jeden Tag durch die Hitze aus dem Bus gejagt und wir fliehen zum Meer, in der Nacht hat es nie unter 30 Grad. Wir schlafen unruhig und kurz. Danach genießen wir die Abkühlung und saftig-süße Melonen am Strand. Am Abend sind wir bei Serkan eingeladen und wir machen eine Jamsession mit Gitarre und Ukulele oder trinken Tee mit Dschengis.

An einem Nachmittag fahren wir mit Serkan und Dschengis zu einem Caravanverkäufer, weil Dschengis für Serkan einen besseren Wohnwagen besorgen will. Unsere Räder liegen vor dem Caravan, den wir besichtigen, während ein Autofahrer, der aufs Handy schaut, auf Vanessas Hinterreifen fährt. Hier schauen alle immer aufs Handy, beim Autofahren, Radfahren, Scooterfahren, Laufen, Spazieren. Das macht eine Fahrradklingel und funktionierende Hupe im Bus unumgänglich (Beides haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht). Der Reifen schaut aus wie eine Acht, aber zum Glück kennt Dschengis jemanden, der uns das mit dem bisschen Geld, das wir vom Autofahrer in die Hand gedrückt bekamen, richten kann. Die türkische Gastfreundschaft verpflichtet die Menschen fast dazu, alles für ihre Gäste in Bewegung zu setzen, egal wie gut man sich kennt.

 
 

In der Früh kühlen wir uns nochmal im Meer ab und machen uns auf den Weg zum Fahrradmechaniker, der kurz vor den Feiertagen noch offen hat. Dieser teilt uns mit, dass wir das Fahrrad am nächsten Tag wieder bekommen, in der Zwischenzeit fährt Vanessa mit dem Ersatzrad vom Shop. Das Fahrrad ist am nächsten Tag wieder in einem top Zustand, vielleicht sogar besser als davor. Nachdem der Muezzin zum vierten Mal gerufen hat, springen wir nochmal ins Meer und entscheiden uns, genug Zeit hier verbracht zu haben. Wir verabschieden uns von den Freundschaften, die wir hier geschlossen haben und auch von der unerträglich werdenden Hitze. Hier warnt man uns noch vor Adana und dem Osten - weil so viele syrische Geflüchtete und Armut. Generell grenzt man sich so oft es geht davon ab, als Muslims gesehen zu werden, fast demonstrativ werden bei den Rufen des Muezzin die Augen gerollt.

Wir fahren noch gegen frühen Abend entlang der Küstenstraße Richtung Osten an mehreren Hotelburgen vorbei zu einem Übernachtungsplatz am Meer. Da scheint gerade die Party abzugehen, wir stehen an einem Abschnitt zwischen zwei Hotels. Die Boxen der Bars sind über deren Auslegung aufgedreht und dementsprechend überschlägt sich der Klang. An Schlaf ist wegen der Hitze sowieso nicht zu denken, wir sind müde und gereizt. Gegen Mitternacht verstummt die Musik und nach dem Frühstück machen wir uns weiter auf Richtung Osten. Wir fahren durch die Arbeiter*innendörfer hinter den Megahotels, einen Camper oder Tourist*innen außerhalb der Hotels sieht man hier nur selten. Die Außentemperatur ist sehr heiß und unsere Elke entlüftet die heiße Motorluft nach innen, was im Winter wie eine Heizung funktioniert, aber jetzt gerade zu unerträglicher Hitze beim Fahren führt. Die Straße geht steil bergauf und bergab, einer malerischen Küste entlang. Am Straßenrand verkaufen die Menschen Bananen, Melonen und Zitronen, alles, was in den Hügeln so wächst, außerdem Schafe und Ziegen. Nach vielen Kilometern an diesem Tag genießen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang im warmen Meer.

 
 

Hier töten uns in der Nacht fast die Gelsen, trotz Gelsennetzen, und bei geschlossenen Türen erschlägt uns die Sommerhitze. An diese Hitze können wir uns nie gewöhnen. Beim Umdrehen liegen wir in der Schweißpfütze des anderen und wir wachen unerholt auf.

Wir haben uns im Decathlon Antalya Kletterschuhe nach Adana schicken lassen, deshalb ist die Stadt unser erklärtes Ziel an diesem Tag. Heute beginnt der erste Tag der vier Feiertage Kurban Bayrami, das Opferfest, dem wichtigsten islamischen Fest im Jahr. An diesem Tag wird in Gedenken an den Propheten Ibrahim in vielen Familien ein Schaf geschlachtet und aufgeteilt. Also hängen in den meisten Garagen oder Hauseinfahrten tote Schafe, welche auf die Straße ausbluten und rund herum tummeln sich viele Frauen, Männer und Kinder, die das Festessen vorbereiten.

Auf halber Strecke ist die Motortemperatur auf einmal um einiges heißer, als sie sein sollte und wir bleiben kurz vor einer Tankstelle stehen. Aus dem Motorraum, der sich zwischen unseren Sitzen befindet, zischt heißer Dampf. Kein gutes Zeichen! Die letzten Meter wird Elke mit Hilfe des netten Tankstellenmitarbeiters zur Tankstelle geschoben. Dieser bietet uns sofort Hilfe und Tee an. Wir rufen unsere Mechaniker des Vertrauens Hauzi und Gerhart (großes DANKE an dieser Stelle!) an und tüfteln über Ferndiagnose, was Elke haben könnte. Der Schaden lässt sich an Ort und Stelle nicht beheben und wir werden zur nächsten Werkstätte nach Tarsus abgeschleppt.

 
 

Der Abschleppwagenfahrer bemerkt einen Nagel in unserem Vorderreifen und er bringt uns vorher noch zu seinem Kollegen, der Reifen verkauft und repariert. Zum Glück ist das nichts ernstes und wir trinken die 7. Runde Tee mit den glücklichen Reifenwerkstattmitarbeitern. Ein Problem weniger, von dem wir nichts wussten.

Der Werkstattmeister Ali, zu dem wir danach gebracht werden, ist nach stundenlanger Inspektion zuversichtlich, dass Elke am nächsten Tag wieder fahrbereit ist und wir lassen uns zu einem günstigen Hotel in der Nähe der Werkstatt bringen. Im Bus hätten wir auch schlafen dürfen, aber daher es in der Werkstatt keine Toiletten gibt und sie direkt neben einer stark befahrenen Straße ist, sind wir froh über ein kühles Hotelzimmer. Am nächsten Tag am späten Nachmittag stellt sich heraus, dass der Fehler heute nicht behoben werden kann, da Ersatzteile bestellt werden müssen und über die Feiertage alles dicht ist. Die Ersatzteile können erst in vier Tagen besorgt werden, also mindestens vier Tage nichts tun und ohne Elke!

Wir sind bedrückt und lassen uns von Erdem in die nächste größere Stadt, Adana, bringen, wo wir eigentlich nur wegen der Kletterschuhe hinwollten. Nachdem uns Erdem nur widerwillig im Park neben der großen Moschee ausgesetzt hat, sitzen wir in der Wiese und teilen unsere Melone mit einem Plastiksammler, der froh über eine kurze Pause im Schatten der Bäume ist. Wenn er etwas gehabt hätte, was wir brauchen könnten, hätte er es uns geschenkt. Aber wir sind ja zum Glück nur kurz ohne Elke.

 
 

Wir versuchen also diese Auszeit in einem Hotel (zum Glück ist die Türkei noch im Öamtc-Schutzbrief mitversichert) in Adana so gut wie möglich zu genießen, immer mit Gedanken an unsere Elke. Wir wohnen sehr zentral und besichtigen die Stadt Adana zu Fuß. Die Stadt hat viel zu bieten und wir sind dann doch begeistert. Wir vertreiben uns die Zeit in Parks, Teeläden und im klimatisierten Zimmer mit Elektrizität aus der Wand und Wlan. Wir duschen so oft wie seit dem Beginn der Reise zusammengezählt und können der Hitze sehr komfortabel entkommen. So wird aus dem islamischen Opferfest für uns unverhofft ein Kurzurlaub vom Camperleben.

In einem Kebaprestaurant bestellen wir was zu Essen und wir wollen ein Getränk ausprobieren, das sich Salgam nennt. Wir fragen den Kellner, was das ist, und er holt den Übersetzer heraus: „Is it painful or not?“, sagt uns dieser. Wir sind uns nicht sicher, da der Übersetzer schon mehrere Fehler gemacht hat und bestellen es trotzdem. Es verzieht uns das Gesicht, weil es so sauer und vergoren schmeckt. Anscheinend liebt oder hasst man dieses Getränk aus vergorenen Rüben, wir eher zweiteres, aber es soll gut bei Verdauungsoroblemen helfen. Als Vanessa eine Woche später mit Magen-Darm-Problemen im Emli Valley flach liegt, hilft es nicht bzw. macht die Sache noch schlimmer.


Wir treffen in der Stadt, die so groß ist wie Wien, auf viele liebe Menschen und lernen dabei eine Studentin aus Izmir kennen, welche über Bayram ihre Eltern in Tarsus, wo auch unsere Werkstätte ist, besucht. Am Abend testen wir gemeinsam ein Irish Pub und trinken seit langem wieder gezapftes Bier. Zufällig ist die Nachbarin ihrer Eltern die Schwester von unserem Werkstattmeister Ali und diese ruft bei ihm an, um ihm zu sagen, dass er sich mit dem österreichischen Bus beeilen soll.

 
 

Wir bekommen die Info, dass Elke frühestens am Mittwoch fertig wird. Ein weiterer Rückschlag, denn das würde noch mehr Tage im Hotel bedeuten und uns weiter vom geplanten Kletter- und Wanderabenteuer im Aladağlar Nationalpark entfernen.

Die Feiertage sind schneller vorbei als gedacht und wir nehmen am Montag den Zug von Adana nach Tarsus. Kurz huschen wir noch in den Supermarkt, um den Werkstattmitarbeitern eine kleine Verpflegung (oder Bestechung) mitzunehmen. Zu Mittag werden wir von der Werkstätte zum Essen eingeladen und die Stimmung ist zuversichtlich. Endlich wird an unserer Elke gewerkt und nach kurzer Zeit ist das Ergebnis: kaputte Wasserpumpe. Der Werkstattmeister Ali macht sich mit seinem Auto auf den Weg, um die Ersatzteile zu besorgen. Gegen späten Nachmittag sind wir uns nicht mehr sicher, ob er heute nochmal kommen wird. Wir vertreiben uns die Zeit mit den anderen Mitarbeitern und Kund*innen und trinken viel zu viel Tee. Die Frau des Lehrers, eine Englischlehrerin, wird herbeigerufen (oder aus Neugierde angezogen) und bietet uns ihre Übersetzungsdienste an.

 
 

Als wir es nicht mehr erwarten, steht Ali plötzlich mit der neuen Wasserpumpe und dem neuen Thermostat in der Werkstatt. Der Anruf seiner Schwester scheint etwas ausgelöst zu haben und alle Arbeit ist jetzt auf Elke konzentriert. Gegen frühen Abend werden die Teile eingebaut und wir sind gespannt. Nach einer langen Testfahrt läuft Elke tatsächlich wieder einwandfrei, und das schon zwei Tage früher wie gedacht!

Kurz vor Mitternacht ist die Bezahlung erledigt und wir feiern mit Ali und unserem lieb gewonnen Freund Erdem in einem Lokal mit reichlich Raki und Hühnchen vom Spieß die schnelle Reperatur. Erdem hat Recht, wenn er sagt, dass dieses Zusammensitzen und es sich gut gehen lassen viel wichtiger ist, als alles andere. Wir haben in den Tagen in der Werkstatt diese Mentalität lieben gelernt. Die Flasche Raki ist schneller geleert als es gut wäre und wir verbringen einen lustigen Abend. Danach schlafen wir alle in unseren Autos vor der Werkstatt, weil die Polizei hier mit Alkohol am Steuer sehr streng sein soll.

 
 

Am nächsten Morgen, als uns die Hitze wieder aus dem Bett schlägt, fahren wir auf einen gratis Caravan Parkplatz in Tarsus und nützen die gratis Waschmaschine. Die Temperaturen sind wieder so heiß, dass wir uns entscheiden, nachdem die Wäsche getrocknet ist, sofort in die Berge zu fahren. Wir haben genug Zeit in Städten verbracht und die Sonne und das Meer ausgekostet. Nun sehnen wir uns wieder nach Regen und Stirnband, außerdem ist unsere letzte Kletterwand schon wieder zwei Wochen her. Die Menschen am Weg sind unglaublich gastfreundlich, interessieren sich für uns, woher wir kommen und wohin wir fahren. Sie schenken uns Früchte, Brot und laden uns zum Tee ein. Wir erreichen am Abend einen Parkplatz auf ca. 1400 m und genießen die kühleren Schlaftemperaturen.

 
 

In der Früh machen wir uns auf den Weg in den Aladağlar Nationalpark, wo viele Abenteuer auf uns warten. In unseren Herzen schlägt die Bergluft. Doch auch hier kommt jetzt, Ende Juli, die Hitze so richtig in fahrt. Wir sind mittlerweile seit drei Wochen hier und verspüren die Lust, uns wieder auf die Straße zu begeben. Nach dem Frühstück verlassen wir den Aladağlar Nationalpark Richtung Kappadokien. Gegen späten Nachmittag bekommen wir Hunger und machen einen kleinen Abstecher in den Ort Derinkuyu, welche sich mit dem Titel „The largest underground city“ schmückt. Kappadokien hat viel zu bieten. Die unterirdischen Städte konnten bis zu 50.000 Menschen und Tiere beherbergen und boten ursprünglich Schutz vor Kriegen und Klima.

Kurz vor Dämmerungsende sind wir uns sicher, unseren Parkplatz für den morgigen Sonnenaufgang in Göreme bald erreicht zu haben. Als uns die zweite Gruppe Quads entgegenkommt, sind wir uns nicht mehr so sicher und wir erreichen wenig später eher einen Wanderweg als eine Straße. Google Maps dürfte wohl andere Fahrzeuge verwenden, selbst mit einem Quad ist der steile und enge Weg zwischen den Sandsteinmonumenten unserer Meinung nach nur schwer befahrbar. Nach einem langen und nicht weniger steilen Umweg mit Schlaglöchern erreichen wir dann unseren einsamen Übernachtungsplatz, nur wenige Meter von einem Aussichtspunkt am Rand einer Klippe weg. Der Wecker läutet um 4:50 Uhr und wir sind gespannt auf die ganzen Heißluftballons. Draußen ist es noch verdächtig ruhig, wir sehen aber schon einige Leute herumwirbeln, sogar eine Frau im roten Kleid, das ist ein gutes Zeichen! Wir gehen zum Aussichtspunkt, es wird immer heller und kein einziger Heißluftballon ist zu sehen. Wir warten und warten, doch nachdem die Sonne aufgegangen ist und kein einziger Ballon sich am Himmel zeigt, geben wir auf und gehen ein bisschen enttäuscht wieder ins Bett.

 
 

Gegen Nachmittag wachen wir auf und entscheiden uns, noch einen Tag länger zu bleiben, um vielleicht am nächsten Morgen die Ballons zu sehen. Wir wandern den Weg hinunter, welchen uns das Navi zunächst hochschicken wollte und sind froh, früh genug umgedreht zu haben. Wir verlassen den Weg und gehen etwas querfeldein zwischen den Sandsteinerhebungen durch. Der Weg mündet in eine immer enger werdende Schlucht und wir passen gerade so durch.

 
 

Dann wandern wir durch das lange malerische Tal, es ist wieder unglaublich heiß. Wir schlendern durch den schönen Ort, sehen viele Cave Hotels und trinken Kaffee und Tee auf einer Dachterrasse. Im Ort fragen wir bei einer Heißluftballonsorganisation, ob und wann am nächsten Tag gestartet wird. Der Mann teilt uns mit, dass heute alles wegen dem Wind abgesagt wurde und alle Fahrten auf morgen verschoben wurden. Am Weg zurück besichtigen wir noch ein altes Kloster. Wir genießen die Aussicht und einen wunderschönen Sonnenuntergang und gehen früh ins Bett. Der Wecker läutet wieder, nur diesmal ist draußen schon das Zischen vieler Heißluftballons zu hören. Sie werden für den Start bereit gemacht und aufgeblasen. Das Tal ist vom Leuchten der Feuer für die Ballons durchströmt.

 
 

Diesmal sehen wir im Tal unzählige Frauen in schönen Kleidern, Männern in Anzügen und ganze Hochzeitsgesellschaften für das perfekte Foto posieren. Die Szenerie ist wirklich magisch! Die Masse an Heißluftballons ist überwältigend und wir sind froh, doch noch eine Nacht länger geblieben zu sein. Nach gut eineinhalb Stunden ist das Spektakel vorbei und der Ort ist wieder ruhig und keine Menschenseele ist zu sehen.

 
 

Wir frühstücken noch in aller Ruhe und wollen uns dann auf den Weg machen, als plötzlich ein Mann vor unserem Bus steht. Die Übersetzungsapp hilft mal wieder weiter und er erklärt uns, sein Auto steckt im Sand fest. Wir machen uns mit Schaufel und unserem Wagenheber auf den Weg und helfen der Familie, das Auto herauszubekommen. Schweißgebadet schaffen wir das Auto heraus und die Familie ist überglücklich und dankbar.

Jetzt geht’s weiter Richtung Osten, wir wollen in drei Tagen an der Schwarzmeerküste sein und bis dahin sind es mehr als 700km. In der nächsten größeren Stadt, Kayseri, fahren wir zu einer Werkstatt, um ein paar Ersatzteile für den Bus zu besorgen, was den ganzen Nachmittag in Anspruch nimmt. Ölfilter und Lampen für den Bus werden über drei Bekannte des Besitzers aus irgendeinem Lager zu uns geliefert. Wieder mal ist gefühlt die ganze Stadt um unser Anliegen bemüht. Der Tag vergeht schneller als gedacht und wir schlafen etwas außerhalb der Stadt bei einem kleinen Stausee. Am nächsten Tag versuchen wir wieder, einiges an Kilometern zu schaffen. Nach nur 15km sehen wir auf der linken Seite der Schnellstraße einen riesigen ausgetrockneten Salzsee und wir entscheiden uns spontan für einen kleinen Abstecher. Der See ist eindrucksvoll weiß, soweit das Auge reicht. Wir wandern unter der brütenden Sonne auf den See hinaus, an unzähligen toten Mäusen vorbei, die sich auf den See verirrt haben und unter der Sonne verendet sind. Etwas weiter vom Rand entfernt wird der Boden weicher und später sinken wir durch die Salzschicht fast knietief in den Salzschlamm.

 
 

Der ausgetrocknete Seeboden ist sehr heiß, unsere Flipflops sind schon in den See eingegraben. Barfuß halten wir es nicht lange aus und laufen nach ein paar Bildern zurück. Gegen Abend erreichen wir unseren Übernachtungsplatz auf einer Passhöhe auf 2010m. In der Früh geht’s dann gemütlich die Passstraße hinunter. So macht man easy Kilometer! Falsch gedacht!

Wir überholen einige Traktoren. Den letzten schaffen wir nicht. Ein unbefestigter Reifen fängt auf seinem Anhänger zuerst an zu hüpfen. Wenige Momente später fliegt er in hohem Bogen auf uns zu. René versucht noch zu bremsen und dem Reifen auszuweichen, doch wir erwischen ihn frontal. Das Kennzeichen und die Halterung verschwinden im Rückspiegel auf der zweispurigen Straße. Wir kommen zum Stehen und ein kurzer Blick vor und unter den Bus lässt uns aufatmen. Eine kaputte Kennzeichenhalterung, ein verbogenes Kennzeichen und eine Delle in der Front. Der Mann mit dem Traktor entschuldigt sich sofort und wir zeigen ihm, was der Reifen kaputt gemacht hat. Wie soll es anders sein, der beste Freund hat eine Werkstatt und schon fahren wir im Schneckentempo die restliche Passstraße hinter dem Traktor her. In der Werkstatt in der nächsten Stadt gibt es wieder Tee und die neue Halterung ist schneller besorgt und montiert, als wir den Tee austrinken können.

 
 

Ob wir die vorgenommenen Kilometer bis zum Meer heute schaffen werden? Wir fahren den ganzen Tag fleißig und erreichen nach einem weiteren Pass, vielen Kilometern, abwechslungsreichen zuerst steinigen und dann grünen Tälern und fast 4000 Höhenmetern das Schwarze Meer.

 
 

Es ist schon spät, unser nächstes Ziel, ein letzter Kletterspot ist laut Navi nur mehr 34km und 1400hm entfernt. Bis nach Tonya hat die Strecke eine angenehme Straße und wenig Steigung. Kurz nach Tonya wird es richtig steil und die Straße befindet sich noch im Bau. Die Hinterreifen drehen ab und zu durch und wir sind froh, auf diesem schmalen Stück keinen Gegenverkehr gehabt zu haben. Nach einer langen Steigung und teilweise unbefestigten Straßen erreichen wir in der Nacht noch eine Tankstelle. Diese sind in dieser Bergregion rar gesät. Nach einer weiteren steilen Straße nennen wir eine weite Kurve unter den Felswänden unseren Parkplatz für die Nacht. In der Früh finden wir den eigentlichen Parkplatz auf einem Plateau über den Kletterwänden, welche sich im dichten Nebel verstecken.

 
 

Wir steigen über eine Rinne ab und genießen das Klettern bei angenehmen Temperaturen. Kaum zu glauben, dass es in Antalya gerade 38 Grad haben soll. Hier sind die Menschen wieder unglaublich nett, sie lassen uns bei ihren Brunnen Wasser auffüllen und schenken uns dazu noch selbstgemachtes Brot.

Nach einigen Klettertagen geht es weiter Richtung Georgien. Nach Trabzon wollen wir noch ein paar Schrauben für die Kofferraumrüren besorgen. Wieder übertrifft sich die Gastfreundschaft der Menschen. Als wir bei einem kleinen Laden die passenden Schauben nicht finden, nimmt der Ladenbesitzer René mit zum Einkaufen in den nächsten Ort. Vanessa bekommt im klimatisierten Laden Wasser und hilfreiche Tipps. Für das alles wollen sie kein Geld, weil man Gästen einfach gerne hilft. Kurz vor der Grenze wird noch Wäsche gewaschen und eingekauft. Hier gibt es riesige Gebirgsbäche, welche aus grünen Tälern fließen. Nur Alkohol ist auf einmal überall verboten. Wir freuen uns schon auf Georgien.

 

Etappe 7: 3056km


 

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