„Urlaub“ vom Vanlife
Wir haben uns wegen der unaushaltbaren schwülen indischen Hitze entschlossen, den restlichen Sommer über wo anders zu verbringen. Es steht noch eine Frage im Raum, wohin die weitere Reise gehen soll. China lockert die Visabestimmungen immer weiter und es wird somit leichter, durch das große Land zu reisen. Wir sind uns noch nicht ganz sicher, ob wir wirklich schon wieder „zurück“ nach Westen fahren wollen, oder doch mit unseren Freunden gemeinsam den Transit durch China nach Laos bestreiten, um mit unserem Van am Meer unter Palmen zu wohnen. Von Indien aus ist es nur noch der halbe Weg nach Südost-Asien (von Europa gesehen) und auch nur ein kleiner Teil des Flug-Preises. Bevor wir also mehrere hundert Euro pro Person für den Transit durch China bezahlen und dann nicht mehr so leicht zurückkönnen, wollen wir auf Nummer sicher gehen und schon mal den großen Zeh in das kalte Wasser halten. Außerdem wollte uns Gerti, Renés Mama, in ihrem Sommerurlaub zu Renés Geburtstag besuchen und im heißen Indien haben wir keine Möglichkeit gesehen, gemeinsam zu entspannen. Es soll in Süd-Ost-Asien auch einige Kletterrouten geben, die wir unbedingt auschecken wollen. Wir ändern also kurzzeitig unseren Reisemodus und packen unsere Rucksäcke für ein Kletter- und Strandabenteuer. Wir freuen uns aufs Klettern neben dem Meer!
Doch lieber über Land?
Im Sommer nach Südost-Asien, um dem indischen Monsun zu entkommen, das macht doch keinen Sinn? Doch! Indonesien zum Beispiel ist weit genug südlich, genauer gesagt auf der Südhalbkugel, wo das Wetter umgekehrt ist wie auf der Nordhalbkugel. Sprich, die Monate Juni, Juli und August sind dort eigentlich „Winter“ und somit gibt es keinen Regen und die Temperaturen sind angenehm. Vanessa bereut es nach ein paar Tagen sogar, keine Daunenjacke mitgenommen zu haben. Wir beginnen den „Urlaub“ von Delhi aus.
In Delhi parken wir unseren Bus bei der Klettercommunity und steigen in ein Flugzeug, das uns in die beliebte Urlaubsdestination Bali in Indonesien bringen soll. Wir freuen uns auf Gerti und auf eine wirklich entspannte Zeit zusammen.
Kaum sitzen wir im Flugzeug, bereuen wir es, eingestiegen zu sein. Das Anschnallzeichen geht wegen kleinerer Turbulenzen über die ersten Stunden nicht aus und unsere Blasen werden auf ihr Durchhaltevermögen getestet. Zwischendurch können wir dann doch mal aufs Klo. Snacks gibt es bei unserem Billigflieger natürlich keine, wir hungern. Das ist schon hart, wenn man bedenkt, dass es von Delhi doch noch 6h Flugzeit bis Bali sind. Kurz bevor wir aus den Fenstern die Indonesische Inselkette sehen, fliegen wir erneut durch Turbulenzen, die es in sich haben. Wir werden in dem Flugzeug so richtig durchgeschüttelt. Vor unseren Augen sehen wir schon unsere Leben an uns vorbeiziehen. Wir schwören uns, nie wieder in ein Flugzeug zu steigen. Warum auch, wenn wir das alles auch über Land (und Wasser) machen könnten? Kinder fangen an zu weinen und unsere Hände krallen sich ineinander. Aus den Lautsprechern kommt nur noch ein komisches Rauschen und wir sind uns nicht sicher, ob der Pilot schon mit dem Schleudersitz nach draußen geflogen ist. Schweißgebadet landen wir dann doch noch lebend auf der Urlaubsinsel Bali. Ein guter Start in den „Urlaub“.
Wir verbringen hier zwei Tage, bis Gerti aus Österreich geflogen kommt und wohnen in einem günstigen Zimmer. Hier testen wir schon mal die lokale Küche. Eines ist schnell klar: viel kulinarische Abwechslung bietet Indonesien nicht. Es gibt entweder Reis mit Gemüse und Huhn oder gebratene Nudeln mit Gemüse und Huhn. Zum Frühstück gebratenen Reis mit Gemüse und Eiern, zu Mittag das gleiche und weil es so gut war, zu Abend nochmal. Na gut, wir kommen gerade aus Indien, wo man das ganze Jahr über täglich drei Mal ein anderes (vegetarisches) Gericht haben kann, unsere Erwartungen sind vielleicht zu hoch. Das Wiedersehen mit Gerti ist schön und wir drei checken in einem schönen Hotel in Strandnähe ein. Wir haben uns viel zu erzählen.

Klettern auf Bali
Wir borgen uns zwei Scooter aus und machen Balis Straßen damit unsicher. Wir besuchen schöne Strände und Riffe und sind auf der Suche nach gebohrten Kletterrouten. Leider sind wir entlang der Küste nicht wirklich fündig geworden. Es gibt ein Gebiet, das sich in dem beliebten Touristrand Padang Padang befindet. Der Strand ist so überlaufen, dass man dafür Eintritt bezahlen muss, auch wenn man gar nicht wegen dem Strand dort ist, sondern nur wegen des Felsens. Eintritt bezahlen fürs Klettern? Okay, irgendwann ist immer das erste Mal.
Vor die Kletterwand hat sich eine Imbissbude gebaut, die super gebratenen Reis macht, aber leider mit der Küche einige Routen verdeckt. Diese Routen sind ohnehin zu verrostet, um beklettert werden zu können. René testet die übrigen Routen dennoch, die teilweise erneuert wurden. Allesamt kurze, knackige Klettereien mit teils abgeschmierten, teils scharfen Griffen, aber was will man sich von Routen direkt neben dem Meer erwarten? Um die Ecke, Richtung Meer gibt es einen schönen Überhang mit coolen Bouldern darin. Aber der Strand ist so überfüllt, dass an Klettern nicht wirklich zu denken ist. Wie die Sardinen genießen die Menschen die Sonne oder eben den Schatten des Überhangs. Also suchen wir uns einen kleinen Platz, wo wir unsere Handtücher auslegen können und genießen das Bier und den gebratenen Reis, den die Imbissbude verkauft.
Reiseschock
Während wir so inmitten der Menschenmassen sitzen, staunen wir über die so andere Kultur. Besonders auf diesem Strand sind hauptsächlich weiße Touris aus Australien und Deutschland, aber auch der Rest von Bali ist kulturell ganz anders als die Länder, in denen wir im letzten Jahr waren. Die Bewohner*innen von Bali sind überwiegend buddhistisch, im Gegensatz vom Rest von Indonesien. Indonesien ist das Land mit den meisten muslimischen Menschen der Welt. Aber hier ist man an Ausländer*innen gewöhnt und die Menschen scheinen kein Problem mit „Nacktheit“ zu haben. Sich am Strand im Tangabikini zu bräunen ist hier ganz normal. Junge Balinesinnen tragen Minirock und Croptop, auch die traditionelle Kleidung ist sehr Figurbetont. Männer tragen kurze Hosen und fahren oben ohne Scooter. Wow. Auf welchem Planeten sind wir hier gelandet? Wir haben schon sehr lange nicht mehr so viel nackte Haut gesehen. Es braucht erst mal Zeit, die kulturelle Differenz zu begreifen.
Wir wohnen in schicken Designervillen im Dschungel, für die Bali so bekannt geworden ist. Obwohl viele Urlauber*innen mehr und mehr auf Individualität und ein nachhaltiges Erlebnis setzen, boomt die Baubranche auf Bali noch immer. Jede freie Fläche wird von Baggern bearbeitet und es entstehen Dörfer aus kleinen Urlaubshäusern, die alle gleich aussehen. Ein schöner Strand, welcher durch social media weltweite Bekanntheit erhalten hat, ist ab dem nächsten Jahr mit einem 120m hohen Lift erreichbar, damit die Menschenmassen sich nicht mehr den Fußweg hinunterschieben müssen. Bali ist zum Beispiel für Massentourismus geworden und das merkt man auch an den wenigen verbleibenden Einheimischen. Das Einkommen in Indonesien ist gering und die meisten Menschen versuchen vom Tourismus zu leben. Ein nettes Gespräch mit Einheimischen ist selten und es ist äußerst schwierig, hier mit jemandem überhaupt ins Gespräch zu kommen. Weiße Menschen wollen nur Dienstleistung und interessieren sich nicht für die Menschen hier. Wir sind auch hier hergeflogen und wollen gut schlafen und gut essen. Wir sind Teil des Problems.
An dieser beliebten Ecke von Bali haben sich viele internationale Restaurants angesiedelt. Natürlich wollen die Touris, die hierherkommen nicht jeden Tag Reis mit Gemüse und Huhn essen, sondern das gute Essen, das ihre Heimat zu bieten hat. Und das auch noch zum gleichen Preis wie daheim. Die Welt ist schon lustig! Kaum ein Restaurant kann es sich leisten, nicht den Verkaufsschlager Avocado-Toast auf der Karte zu haben. Burger und Pizza gibt es an jeder Ecke. René hat Geburtstag und auch wir feiern in einem guten italienischen Restaurant. Da können wahrscheinlich alle Küchen der Welt einstecken, die Italienische Küche ist und bleibt für uns die beste der Welt!
Batur Vulkan
Nach einigen Tagen Strandurlaub machen wir uns auf den Weg in das Inselinnere, wo sich noch viel Urwald befindet. Unser Ziel ist der Mount Batur, ein knapp 1700m hoher aktiver Vulkan. Wir wohnen in einem kleinen Guesthouse, das einen warmen Naturpool im Garten hat. Das Wasser wird vom Vulkan aufgeheizt und hat fast Badewannentemperatur. Das kommt uns hier auch sehr recht, denn vor allem in der Nacht ist es hier oben empfindlich kalt. Vanessa hat sich zu sehr auf sommerliche Temperaturen eingestellt. Damit, dass hier ja „Winter“ ist und eine Daunenjacke gut wäre, hätte wirklich niemand gerechnet. Vor einer Woche haben wir uns in Indien noch wegen der Hitze gequält und hier ist uns kalt. Man kann es uns wirklich nicht recht machen.
Am nächsten Tag wollen wir die 700m auf den Vulkan gehen. Eine leichte Wanderung in Autofahrgelände. Aber natürlich darf man auch nur auf den Vulkan, wenn man einen Guide bezahlt, der auch gut und gern eine europäische Bergführer-Tagesgage verlangt. Das geht uns wirklich zu weit. Fürs Wandern Geld bezahlen, das haben wir schon in Nepal gemacht, aber jetzt sollen wir auch noch einen Guide ohne wirklicher Bergerfahrung bezahlen. Dabei haben wir schon an zwei Checkposts für die Nationalparkaußen- sowie -innengrenze ordentlich bezahlt. Nicht mit uns! Wir gehen in der Früh los, als die Touris wieder in den Offroadjeeps nach unten gekarrt worden sind. Die meisten buchen die Tour zu Sonnenaufgang. Dennoch erwischen uns zufällig die Männer der Vulkanmafia und bieten uns an, für den fehlenden Guide ein Auge zuzudrücken, wenn wir die Eintrittsgebühr zahlen würden. Aber nicht mit uns, wir haben doch schon Eintrittsgebühr für den Nationalpark bezahlt, dass wir jetzt für jede Wanderung im Park nochmal extra bezahlen müssen, ist nicht logisch. Es handelt sich dabei nicht um ein paar Euros, sondern um Summen, mit denen wir in den lokalen Restaurants viele Tage zu dritt Essen gehen können. Wir wimmeln sie ab und steigen durchs Gebüsch auf, bis wir uns sicher sind, dass sich die Vulkanmafia am Weg nach unten gemacht hat. Die Aussicht ist auch schön, obwohl die Sonne gerade nicht aufgeht und wir staunen über das alte Lavafeld von 1963, das große Teile des Dschungels und auch des Dorfes verschlungen hat.
Klettern in Kintamani
In dem Dorf gibt es auch ein kleines aber schönes Klettergebiet mit Vulkansicht. Auch hier muss von Ausländern fürs Klettern bezahlt werden, also überreichen wir die umgerechnet 12€(!) dem Dorfältesten. Wenn wir nicht bezahlen würden, würde der Älteste das Klettern an den Felsen hier verbieten und die lokale Klettercommunity dürfte dann auch nicht mehr neue Routen bohren. Wir hoffen nur, dass ein Teil des Geldes auch an die Kletter*innen, welche sich um das Gebiet kümmern, geht. Die Routen sind wirklich gut gepflegt und werden saniert, wenn nötig. Wir verbringen hier einen schönen Klettertag, für einen zweiten wäre das Gebiet zu klein und eindeutig zu teuer. Bali ist wohl der einzige Ort der Welt, wo klettern Geld kostet. Aber das indonesische Einkommen ist sehr klein und Bohrhaken sind international fast gleich teuer. Über die Kletterethik und darüber, ob das Klettern gratis sein soll oder nicht, können wir gerne in den Kommentaren diskutieren!
Kultur und verdorbenes Huhn
Im Dorf herrscht gerade Feierstimmung. Bali ist die einzige buddhistische Insel in Indonesien. Frauen tragen große Opferkörbe gefüllt mit Obst und Reis auf ihren Köpfen. Alle haben eine Festtagstracht an. Frauen und Männer tragen bunte, enganliegende Röcke mit Spitzen. Aus langen Bambusstämmen wurden Girlanden geschnitzt, die die Wege zieren. Hier dürfen wir eine traditionelle Seite von Bali miterleben. In die Tempel dürfen wir leider nicht, aber wir staunen über das viele verschiedene Streetfood. Suppen mit Hühnerfüßen, Reis mit Huhn und Bambussprossen, süße Reisbällchen in Sirup. Beim See kehren wir in das einzige Restaurant des Dorfes ein. Die Familie freut sich über unseren Besuch und es gibt Fisch im Angebot. Also lassen wir uns den gebratenen Reis mit gebratenem Fisch aus dem See schmecken.
Weil das das einzige Restaurant im Dorf ist, essen wir am nächsten Abend nochmal dort. Diesmal gibt es Huhn mit gebratenem Reis. Das Hühnchen ist schon ein bisschen eingetrocknet und riecht komisch, aber der Hunger siegt. Vanessa ist froh über ihren gebratenen Reis mit Ei. Ein paar Stunden später rächt sich das alte, trockene Huhn. René hat sich eine gewaltige Lebensmittelvergiftung eingefangen und verbringt die ganze Nacht am Klo.
Schildkröten beobachten auf einer Gili-Insel
Für den nächsten Morgen haben wir ein Taxi zum Hafen gebucht. Wir wollen mit einem Boot zu einer kleineren Insel fahren. Pünktlich um 9 Uhr steht das Taxi vor der Tür und René ist voraussichtlich alles losgeworden. Mit einer Familienpackung Imodium intus traut er sich, in das Taxi zu steigen. Das war die längste Taxifahrt in Renés Leben, doch sie verläuft zum Glück trocken. Danach stehen wir in der prallen Mittagshitze am Steg und warten auf das Boot, das uns auf eine der Gili Inseln bringen soll. Die Bootsfahrt ist wahrscheinlich die längst mögliche, die René überlebt hätte. Unten im Passagierraum ist es stickig und heiß. Die Fenster müssen geschlossen bleiben, weil die hohen Wellen sonst den ganzen Raum überfluten würden. Der Wellengang ist nichts für schwache Nerven, René ist nicht der einzige, dem schlecht ist.
Nach ein paar Stunden erreichen wir die Insel. Auf der Insel gibt es keine motorisierten Fahrzeuge. Die einzigen Fortbewegungsmittel sind Fahrräder und Pferdekutschen. Wir haben also noch eine halbstündige holprige Kutschenfahrt zur anderen Seite der Insel vor uns, bis wir endlich in einem kleinen Häuschen einchecken. Am nächsten Tag ist es bei René noch nicht besser und er bekommt Fieber dazu. Wir rufen ein Notfall-Ärzteteam in die Unterkunft, das René mit einigen Infusionen wieder aufpäppelt. Die Kulisse könnte auf jeden Fall nicht besser sein, um sich auszukurieren. Die Insel ist klein und ruhig. Wir wohnen mit den Zehen im Sand und beobachten mit einer jungen Kokosnuss in der Hand Schildkröten beim Schwimmen. Ein wahres Paradies, wenn René doch auch das Essen genießen könnte. Dort kuriert René sich einige Tage aus, bis es Vanessa erwischt. Auch Vanessa macht das volle Programm durch und schläft einige Nächte im Badezimmer. Danach setzen wir uns beide auf Fasten, weil wir nichts bei uns behalten können. Einzig Gerti kann das Paradies voll und ganz gesund genießen. Sie liegt den ganzen Tag am Strand und genießt frisches Kokosnusswasser. An einem der letzten Abende, als es uns beiden wieder besser geht, machen wir drei sogar einen Ausflug auf Pferden, mit denen wir in den Sonnenuntergang reiten. Ein kleiner großer Traum von Gerti!
Zwei Kletterhallen und ein Abschied
Die letzten zwei Nächte zu dritt verbringen wir in einer schönen Hütte mit Pool im Dschungel unweit von Ubud. Ubud ist ein sehr hipper Ort mit vielen Yogastudios und Yogaschulen. Hier ist die Dichte internationaler Restaurants wieder sehr hoch und wir lassen unsere wieder gesunden Mägen verwöhnen. Auch hier treffen wir auf nur sehr wenige Einheimische, aber es gibt eine kleine Boulderhalle, auf die die lokale Klettercommunity sehr stolz ist.
Es ist wieder an der Zeit, sich von Gerti zu verabschieden. Wir durften mit ihr so viel erleben und konnten den Luxus, den das Reisen zu bieten hat, dank ihr voll und ganz genießen. Die Zeit ist wieder enorm schnell vergangen und am Flughafen winken wir dem Flugzeug Richtung Heimat nach.
Auch wir wollen weg von Bali. Wir checken in ein günstiges Hostel in Kuta ein und buchen einen Bus auf die Insel Java. In der Nähe von Jakarta, der (noch) Hauptstadt, soll sich das nächste größere Klettergebiet befinden. Am nächsten Tag sitzen wir zwei Stunden vor Abfahrt am leeren Busbahnhof und warten. Wir warten noch einige Stunden, bis wir die Bestätigung erhalten, dass der Bus nicht fährt. Und er wird wohl auch nicht in den nächsten Tagen losfahren. Niemand will sich die 30-stündige Busfahrt antun, wenn ein Flugzeug viel schneller ist und das gleiche kostet. Wir wollten es um jeden Preis vermeiden, wieder in ein Flugzeug zu steigen, doch anscheinend bleibt uns nichts anderes übrig, um auf die andere Insel zu kommen. Die Tage bis zum Flug verbringen wir in Kuta, wo es zwar viele feierwütige Australier*innen gibt, aber wo die Preise noch nicht australisches Niveau angenommen haben. Sogar eine kleine Kletterwand gibt es in Kuta, doch selbst hier sind die Bohrhaken enorm rostig.
Wir kommen mit der Luft hier nicht klar. Überall wird Plastikmüll verbrannt, was sich stark auf unsere Lungen schlägt. Wir konnten es nicht glauben, aber Indonesien hat tatsächlich ein größeres Müllproblem als Indien. Auf freien Grundstücken sammelt sich der ganze Müll, den die Menschen aus ihren Häusern schmeißen und der in der Nacht angezunden wird. Indonesien ist das Land mit dem höchsten Plastikverbrauch der Welt. Daher es kein Recycling-System gibt, landet der viele Müll auf den Straßen oder in der Natur. Mit den Regenfällen wird dann einmal im Jahr alles ins Meer gespült, von wo es am Ende wieder an den Stränden landet.
Wo geht's hier nach Java?
Der Flug nach Jakarta ist kurz und schmerzlos. Danach steigen wir sofort in einen chinesischen Hochgeschwindigkeitszug nach Bandung. Der Zug beschleunigt ganz ruhig bis auf 360km/h, wir sind beeindruckt. Wir sind auch beeindruckt von der Sauberkeit und Ordentlichkeit der Straßen. Es gibt Ampeln und Zebrastreifen und die Menschen warten, bis es grün ist. Wir werden oft verurteilend angeschaut, wenn wir so wie wir es von Indien gewohnt waren, einfach über die Straße laufen und die Autos ausbremsen. Wir sind nach Indien tatsächlich in einer völlig anderen Welt gelandet. Wir würden sogar sagen, wir sind in der Zukunft angekommen, so sauber, geordnet und modern wie es hier ist.
Im ländlichen Gebiet mieten wir uns eine kleine aber sauteure Unterkunft. Hier haben wir keine große Auswahl, weil es kaum Gasthäuser gibt, da hier auch keine Touris herkommen. Einen Scooter müssen wir auch mieten, um zu den Klettergebieten zu kommen. Einzig das lokale Essen besticht mit dem Preis. Wenn man kein Problem damit hat, Fleisch zu essen, kommt man hier gut und günstig durch. Leider isst Vanessa sowieso keines und René seit der Lebensmittelvergiftung auch noch nicht, also ernähren wir uns hauptsächlich von Reis und Eiern. Weil es uns an einem Tag genug war mit dem Reis, haben wir in der Hoffnung auf vegetarische Fleischbällchen einen Ikea aufgesucht. Das letzte mal waren wir vor über einem Jahr in einem Ikea, wir freuen uns auf vegane Hotdogs und Essen, dem wir vertrauen. Doch falsch gedacht! Bei Ikea in Indonesien gibt es kein einziges Gericht ohne Huhn. Die Fleischbällchen gibt es nur in Hühnchen-Ausführung, dazu Hühnersuppe und Hühnchenwurst-Hotdog. Aber wir lassen uns das Kartoffelpüree mit Erbsen schmecken, welches gleich schmeckt wie überall anders.
Klettern auf Java
Wir fahren einige Klettergebiete an und treffen die lokale Klettercommunity. Die Gebiete sind hier gratis, was man leider an der Qualität der Bohrhaken merkt. Obwohl die Gebiete absolut nicht in Meeresnähe sind, beschädigt der Monsun und die starke Sonne die Haken sehr. Die Haken sind eindeutig die rostigsten, die wir je gesehen haben. Dafür besticht die schöne Szenerie der einzelnen Gebiete. Die Locals erklären uns, dass die Routen absolut sicher sind. Sie selbst belasten aber keinen einzigen Bohrhaken, da sie so stark klettern, dass sie nicht fallen. Und anstatt den rostigen Stand fürs Abseilen zu verwenden, klettern sie die Routen wieder ab. So machen sie das den ganzen Tag und erzählen uns sogar eine Geschichte von einem Amerikaner, der locker 80kg schwer war (was hier wirklich groß und schwer ist) und in einen Bohrhaken gefallen ist, der nicht abgebrochen ist. Das gibt Mut. Nicht. Wir haben hier wenig Spaß und klettern nur Routen, bei denen wir uns absolut sicher sind, nicht zu fallen und genießen die Späße mit den einheimischen Kletterern.
Wir finden noch ein anderes Gebiet, welches neu gebohrt wurde, was die Sicherheit enorm erhöht. Leider gibt es hier nur vier ziemlich schwere Routen. Ein Mann taucht auf, während wir klettern und kehrt den vielen halbverbrannten Plastikmüll von der Wand Richtung Wald. Danach hält er die Hand auf und sagt „Money“. Das ist ein guter und authentischer Abschluss mit Indonesien, wir wollen wo anders hin.
Malaysien
Nach kurzer Recherche soll der Monsun in Malaysien noch nicht voll gestartet haben, also steht das nächste Land fest. Nach kurzer Flugdauer (wir haben keine Bus- bzw. Bootsverbindung gefunden) landen wir in der Hauptstadt Kuala Lumpur. Dort checken wir in ein Internatszimmer ohne Fenster ein und erkunden die umliegenden Klettergebiete. Die Felsen befinden sich im Dschungel etwas außerhalb der Stadt. Als wir zum ersten Gebiet kommen, erinnern wir uns, dass wir das Gelsenspray im Zimmer liegen gelassen haben. Wir versuchen es trotzdem, durch die riesigen Blätter zur Wand zu gelangen, nur um innerhalb von kurzer Zeit an die 100 Moskitostiche abzustauben. Fluchtartig verlassen wir die Wand und draußen steht eine Frau, die uns lächelnd erklärt, dass diese Wand Moskitohöhle genannt wird. Wir gehen einige Minuten weiter, wo sich ein weiteres Gebiet befindet. Dort treffen wir auf die lokale und internationale Klettercommunity, die uns bei sich aufnimmt und uns die besten Spots zeigt.
Klettern in Kuala Lumpur
Die nächsten zwei Wochen verbringen wir rund um Kuala Lumpur in den Wänden. Es ist hier ziemlich heiß und schwül, aber lange nicht so schlimm wie in Indien. Geklettert wird am Vormittag, denn ab 2 Uhr nachmittags beginnt fast täglich ein Platzregen. Wir lernen von den Locals, die Moskitos mithilfe von verbrannten Eierkartons fernzuhalten und genießen nach den Klettervormittagen gemeinsame Mittagessen in chinesischen Restaurants.
Die Malaysier*innen gehen lieber in chinesische Restaurants, weil es dort im Gegensatz zu lokalen Restaurants Bier gibt. Auch Malaysien ist ein Großteils muslimisches Land und Alkohol darf nur in ausländischen Restaurants ausgeschenkt werden. In Malaysien wurde Klettern auch als Breitensport entdeckt und eine neue Kletterhalle sprießt nach der anderen aus dem Boden. An den regnerischen Tagen verbringen wir die Zeit eben an den abwechslungsreichen Kunstgriffen.
Wir finden die internationale Atmosphäre in Kuala Lumpur großartig. Es leben hier viele Ausländer*innen aus Großbritannien, Europa, Australien und China. Sogar ein deutsches Restaurant gibt es, welches Erdinger Weißbier vom Zapfhahn und Stelze verkauft. Es gibt ein weit ausgebautes internationales Schulsystem und wir bekommen auch das ein oder andere Angebot, in einer dieser deutsch- oder englischsprachigen Schulen zu unterrichten. Das Gehalt ist nicht schlecht, doch wirklich leben würden wir hier nicht wollen. Es gibt keine Berge und sogar jetzt, in der „kalten“ Jahreszeit ist es für uns unaushaltbar heiß. Gut, dass wir nicht unser eigenes Zuhause mitgebracht haben, denn wir realisieren endlich, dass wir nicht für diese Klimazone gemacht wurden.
Heimweh nach einem Auto
Auf der anderen Seite vermissen wir unser mobiles Haus schon etwas. Wir sind ein bisschen wählerisch, was Schimmel und Bettwanzen betrifft und deshalb bleiben in unserer Preisklasse nicht viele (eigentlich gar keine) Unterkünfte übrig. An den Wochenenden sind die meisten sauberen Zimmer ausgebucht, weil die Stadt dann mit Wochenendausflüglern aus Singapur überflutet wird. Das Gute ist, dass die Preise unter der Woche dann umso besser sind und wir machen gute Schnäppchen. Ein paar Tage wohnen wir in einem riesigen Apartmenthaus. Diese Hochhäuser sind alle so konzipiert, dass die Freizeitgestaltung im selben Gebäude stattfindet. In jedem dieser Wohnkomplexe befindet sich irgendwo in den oberen Etagen ein riesiger Infinity-pool mit Sauna- und Wellnesslandschaft, welche wir gratis mitbenutzen dürfen. Zusätzlich gibt es Yogaräume, ein gut ausgestattetes Fitnessstudio und Plätze zum Grillen und Relaxen. Das alles mit einer grandiosen Aussicht über die Wolkenkratzer der modernen Stadt.
Am Abend machen wir die Straßen der Stadt unsicher und probieren uns vorsichtig durch das günstige und abwechslungsreiche Streetfood. Wir verschlingen chinesische Gerichte mit süßen Saucen, vietnamesische frisch gekochte Suppen und malaysische Hühnchenvariationen. Wir schlendern durch die sauberen Straßen, trinken chinesischen Tee und staunen über die hohen Gebäude. In Kuala Lumpur befindet sich das zweithöchste Gebäude der Welt. Es ist eine höchst moderne und saubere Stadt, in der es aber auch viele authentische und interessante Straßen zu erkunden gibt. Tradition und Moderne vermischen sich hier auf eine interessante Art und Weise.
Langsam haben wir genug von dem luxuriösen Leben, welches wir hier führen dürfen. Immer stärker wird die Sehnsucht, wieder selbst zu kochen und im eigenen Bett zu schlafen. Vor allem schlägt so ein Leben ganz schön aufs Budget. Wir bereuen es, das Zelt nicht mitgenommen zu haben und auf gemietete Zimmer angewiesen zu sein. Lebensmittel sowie Restaurantbesuche sind hier um einiges teurer als in Indien oder Pakistan. Im letzten Monat haben wir ungefähr das doppelte ausgegeben, was wir normalerweise mit dem Auto brauchen würden. Es ist Mitte August und wir haben Heimweh nach unserem Van.
Wir warten das nächste günstige Angebot ab und steigen in den Flieger zurück nach Delhi. Wir freuen uns, wieder in den eigenen vier Wänden zu sein und auf die Mobilität, die wir damit haben. Vor allem sind wir froh, wieder an Land unterwegs zu sein. Wir sind sehr dankbar, dass wir diesen Ausflug nach Süd-Ost-Asien machen durften, um zu sehen, dass wir Berge immer Kokosnuss und Strand vorziehen.
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