Wir fahren Anfang März über den einsamen Grenzübergang in Banbasa von Indien nach Nepal. Dieser westlichste Grenzübergang funktioniert nur in die eine Richtung, denn nach Indien einreisen kann man dort nicht. Dementsprechend wenig ist an der Grenze auch los. Die Brücke war gerade gesperrt, weswegen wir durch das steinige Flussbett hinüberfahren mussten. Die Ausreise aus Indien war schnell erledigt und die Beamten entlassen uns nach Nepal. Wir fahren die holprige Grenzstraße entlang in den nächsten Ort, um dort das nepalesische Grenzbüro zu suchen, denn wir haben weder Visum noch Stempel für unser Fahrzeug. So legen wir die ersten Kilometer in Nepal auf einer Staubstraße zurück, bis wir das kleine Häuschen gefunden haben, in dem wir unsere Visa on arrival beantragen können. In dem kleinen Büro grüßen uns zwei Männer freundlich und wir erledigen die Visabeantragung und die Bezahlung rasch. Danach müssen wir noch das Customsoffice finden, welches ein paar hundert Meter weiter liegt. Mit einem weiteren Einreisestempel im Carnet-Papier freuen wir uns auf Nepal. Eines fällt uns sofort auf: es sind kaum Fahrzeuge auf der Straße unterwegs. Nach der lauten Hektik in Indien können wir diese Langsamkeit kaum fassen. Ob wir überhaupt nochmal nach Indien zurückwollen? Gerade freuen wir uns nur, in Nepal angekommen zu sein.
Es gibt eine Straße, die den Westen Nepals mit dem dichter besiedelten Osten verbindet. Daher die Menschen in Nepal noch weniger verdienen, gibt es kaum Menschen, die ein motorisiertes Fahrzeug besitzen. Die meisten Menschen gehen zu Fuß oder fahren Fahrrad.
Und das Beste ist: niemand hupt. Auch die Menschen scheinen sich in den letzten paar hundert Metern der offenen Grenze vollkommen verändert zu haben. Sie grüßen uns freundlich und winken uns zu. Viele Menschen sprechen hier auch wieder englisch und niemand fragt uns nach einem Selfie. Beim ersten Restaurant stoppen wir, um ein Fisch-Thali zu essen und entspannen im ruhigen und grünen Garten. Wir dürfen auch über Nacht auf dem Parkplatz bleiben und verbringen einen entspannten Abend mit den jungen Mitarbeitern. Anstatt uns beim Leben zu filmen und anzustarren, tauschen wir uns über Musik und die Welt aus. Krass, wie unterschiedlich zwei Länder sein können. In Nepal werden wir uns wohl fühlen, das wissen wir.
Die größten Säugetiere der Welt
Am nächsten Tag fahren wir die einsame Hauptstraße Richtung Osten und kommen langsam im Bardia Nationalpark an. Zwischen riesigen Bäumen stehen kleine Hütten aus Holz und Lehm mit Heu und großen schwarzen Büffeln davor. In Nepal befinden sich nicht nur die höchsten Berge der Welt, sondern auch einige der größten Säugetiere. Im Bardia Nationalpark gibt es Tiger, Elefanten und Rhinos. Hier verbringen wir ein paar Tage bei Baba. Er ist Nationalparkranger und nimmt uns einen Tag mit in den geschützten Teil des Bardia Nationalparks. Im Park gibt es eine wachsende Tigerpopulation, welcher wir auf der Spur sind. Wir starten bei Sonnenaufgang in den Busch und finden nach kurzer Zeit frischen Tigerkot. Das erklärte Ziel für den Tag ist gesetzt und wir streifen durch den dichten Dschungel, überqueren Flüsse und die offenen Savannen, auf der Suche nach Kratz-, Kot- und Urinspuren der großen Raubkatzen. Wir beobachten ein paar Rehe, die Lieblingsspeise der Tiger. Wir lernen, welche Geräusche Rehe machen, wenn sie einen Tiger sehen und ihre Freunde warnen und dass Affen mit den Rehen zusammenarbeiten. Doch Tiger schleichen sehr leise und versteckt. Ein Tiger schafft es, nicht gesehen zu werden, wenn er es nicht will. Zu Mittag machen wir Pause unter einem Baum nahe am Fluss, als unser Guide Baba den Anruf bekommt, dass ein Rhinozeros im Fluss gesichtet wurde. Innerhalb von Minuten sind wir im Flussbett und sehen das riesige Rhinozeros sich im Fluss abkühlen. Es ist ein besonderes Gefühl, ein wild lebendes Rhino aus nächster Nähe zu beobachten.
Dank engagierten Menschen wie Baba darf sich der Park über wachsende Populationen freuen. Leider freut das nicht alle. Immer öfter kommt es in den Dörfern zu tödlichen Begegnungen zwischen Menschen und Tigern, die auf der Suche nach einem neuen Revier oder Nahrung sind. Danach klettern wir auf einen Baum, um vielleicht auch einen Tiger beim Trinken zu erwischen. Wir streifen durch den riesigen Nationalpark und sehen viele Vögel, Affen und Rehe, doch ein Tiger will heute nicht vor unsere Linse. Als wir kurz nach Sonnenuntergang wieder Richtung Camp gehen, bemerken wir ein lautes Krachen und Rascheln im dichten Dschungel neben uns. Da entdecken wir doch wirklich zufällig beim Heimgehen einen wilden Elefantenbullen beim Äste brechen und Blätter essen. Wir waren nur ein paar Meter entfernt von dem riesigen Tier und er gibt uns das Zeichen, dass wir ihm besser nicht näherkommen sollen. Beängstigend, wenn man bedenkt, wie schnell Elefanten laufen können, wenn man sie aggressiv macht. Nur sehr sehr schnelle Läufer können es mit einem Elefanten in Sachen Geschwindigkeit aufnehmen. Nach 12 Stunden im Nationalpark kommen wir glücklich und müde im Camp an. Der Tiger hat sich zwar vor uns versteckt, aber der Tag war trotzdem ein voller Erfolg.
Im Garten von Baba verbringen wir ein paar entspannte Tage. Wir nutzen den Platz, um unseren Businnenausbau fertigzustellen, eine Wand zu streichen und alles zu sortieren. Wir genießen die Ruhe und merken hier, wie sehr wir von Indien gestresst waren.
Baba warnt uns vor dem Osten Nepals, die Menschen würden in uns Touris einen wandelnden Bankomaten sehen. Im Osten sind die größeren Städte und der Bergtourismus und bald würde die erste Saison in den Bergen beginnen. Im Westen Nepals ist der Tourismus noch nicht ganz so groß und die Menschen sind offen herzlich und gastfreundlich. Wir sollten in ein paar Wochen noch herausfinden, was Baba damit meint.
Nepals Straßenhölle
Nach diesem Abenteuer fahren wir weiter die einzige Verbindungsstraße in den Osten. Doch große Teile der Straße werden erst gebaut. Nach der schönen ruhigen Straße durch die Nationalparkränder fahren wir über 100km auf einer schlimmen Staubstraße. Für diese 100km brauchen wir drei Tage und schon nach dem ersten haben wir Staub in jeder Ritze unseres Vans. Wir haben Staub im Gesicht, in den Augen, in den Nasenlöchern, im Bett und im Geschirr.
Durch die Schlaglöcher, welche größer als ein Auto sind, wird unsere neue Einrichtung so richtig getestet. Wir finden heraus, was wir alles nochmal extra befestigen müssen. Bei den Schlaglöchern werden unsere Kästen teilweise komplett geleert und nach einer langen und anstrengenden Fahrt, bei der wir und unser Hab und Gut richtig durchgeschüttelt wurden, müssen wir zuerst mal alles wieder verräumen und besser befestigen. Zum Staub kommt noch die Hitze, welche sich hier im Flachland breit macht oder nie verschwunden ist.
Wir fahren an den bunten Häusern vorbei. Wir sehen das normale nepalesische Leben, die meisten Menschen in Nepal leben von der Landwirtschaft. Büffel und Kühe laufen hier frei auf der Straße herum. Wir haben uns informiert, dass wenn wir unabsichtlich eine Kuh durch anfahren töten, darauf bis zu 12 Jahre Gefängnis stehen. Viele Menschen hier im Flachland sind hinduistisch und Kühe sind somit heilig. Obwohl hier nicht so viele weiße Menschen vorbeifahren, werden wir kaum beachtet. Wenn die Menschen von ihrer Feldarbeit kurz hochschauen und uns sehen, schenken sie uns ein Lächeln. Viele Dinge sind hier ganz anders als in Indien. Wie kann das sein, da diese Länder doch nur durch eine offene Grenze getrennt sind? Auch Nacktheit wird hier wieder anders gehandhabt als in Indien. Wir sehen Frauen oben ohne hinter ihren Häusern an den Brunnen sich waschen. Männer sitzen neben ihren nassen Kleidern und warten darauf, dass sie trocknen. Frauen sind ein ganz normaler Teil vom Alltagsbild, übernehmen sichtbare Aufgaben und es wirkt so, als wäre die Gleichstellung hier schon mehr angekommen. Nepals Regierung unternimmt viele Programme zur Förderung von Mädchen und Frauen und hier merkt man ganz stark, wie gut einem Land eine solche Einstellung tut. Junge Mädchen tragen bauchfreie Tops und Jeans und niemand starrt uns an, weil wir weiß sind. Es fühlt sich sicher an, hier zu reisen und unsere Kleidung von daheim anzuhaben.
Nach ganz schön anstrengenden Fahrtagen erreichen wir doch endlich Bimalnagar, wo wir ein paar Tage Sportklettern. Unter tags wird es jetzt, Mitte März schon ziemlich warm und die LKWs wirbeln den Staub der Straße zu den Felsen nach oben.
Pokhara
Danach fahren wir die restlichen Kilometer über den wilden, bald neuen Highway nach Pokhara. Pokhara wird als die Tourismushauptstadt Nepals beworben. Die meisten Touris kommen nach Pokhara, der Stadt am Fewa See. Vom Stadtzentrum aus sieht man die hohen schneebedeckten Berge, allen voran den markanten Mount Fishtail. Es ist März und auch in Nepal wird das Holi Festival gefeiert, bei dem Menschen ausgelassen rund um den See feiern und sich gegenseitig mit Farben bewerfen.
Wir dürfen unseren Bus bei einem Hotel gratis parken und machen Wanderungen in der Annapurna Region. In Pokhara gibt es auch Felsen und eine Boulderhalle, viele Restaurants, Yogastudios in der Nachbarschaft und viele andere Touris. Wir wandern von der Lakeside aus zur Weltfriedenspagoda und der riesigen Lord Shiva Statue. Auch in einem großen tibetischen Camp waren wir zu besuch. Nachdem Tibet von China annektiert wurde und der Dalai Lama, das Staatsoberhaupt, nach Indien geflohen ist, flohen auch viele Menschen aus der Bevölkerung. In dem Camp für tibetische Flüchtige gibt es Schulen, eine Uni, Tempel und schöne Wohnanlagen. In den Camps werden alle tibetischen Menschen aufgenommen und bekommen Bildung, Kost und Logis. Keine Sehenswürdigkeit ist vor uns sicher und am Abend wartet fast immer ein Dal Bhat auf uns.
Wir genießen es, undercover als normale Touris gesehen zu werden und finden Freunde in der Stadt. Es tut gut, wieder mal einen festen Wohnsitz zu haben und das in einer Stadt, in der es nichts besonderes ist, weiß zu sein. Nach Indien war die Zeit hier in Pokhara wichtiger, als wir es geahnt haben. Wir kommen wieder runter vom überfordernden Wahnsinn Indiens und haben Zeit, die Erfahrungen Indiens zu verarbeiten.
Wir treffen auch wieder viele andere Overlander und tauschen uns aus. Auch Johanna und Stefan, die beiden Radfahrer*innen, welche mit uns zusammen die Eskorte durch Pakistan gemacht haben, treffen wir wieder und besuchen die Gupteshwor Mahadev Höhle sowie das ein oder andere Restaurant gemeinsam.
Zusammen mit einem Pärchen, die mit einem riesigen ausgebauten Reisebus unterwegs sind, finden wir eine Familie, die ihren geschlossenen Campingplatz für uns wieder aufmacht. Also verschieben wir unseren Wohnsitz nach Pame und fahren mit dem ausgeborgten Scooter oder dem öffentlichen Bus nach Pokhara, um unsere Ausbildung in den Tibetischen Sound- und Singingbowls bei Mahendra zu absolvieren. Hier ist der Hinduismus genauso wichtig wie der Buddhismus und die beiden tausende Jahre alten Traditionen und das Wissen schmilzt hier im alltäglichen Leben zusammen. Das Schöne am langsamen Reisen ist, dass wir an einem Ort lange Zeit verbringen dürfen und so ein Gefühl für eine andere Kultur entwickeln können.
Wir leben uns hier in Nepal wirklich ein. Die Menschen sind angenehm, sprechen Großteils englisch und sind sehr offen und gebildet. Womit wir uns jedoch auch nach einigen Wochen nicht anfreunden können, ist die Angewohnheit, Schleim von ganz unten aus der Lunge mit lauten Geräuschen hochzuwürgen und auf die Straße zu spucken. Sogar zierliche Frauen geben so laute Geräusche von sich, dass es uns oft schreckt. Es muss der viele Staub von der Straße sein, der in den Lungen stört. Auch die Luft wird immer undurchsichtiger. Durch die Verbrennung von Plastikmüll und illegalem Inbrandsetzten von Wald hat sich ein undurchsichtiger Nebel über die Landschaft gelegt, der jeden Tag, an dem es nicht regnet, dichter wird.
Wir verlieben uns in die nepalesische Küche, welche nicht gerade die abwechslungsreichste ist. Dennoch ist Dal Bhat ein Essen, das so gut zusammengestellt ist, dass wir es ohne Probleme jeden Tag essen können. Zusammen mit Momos, den gefüllten Teigtaschen und ein paar tibetischen Suppen bildet die nepalesische Küche eine einfache aber zufriedenstellende Ernährungsweise.
Nach zwei Monaten in Pokhara ist es wieder an der Zeit, weiterzureisen. Am Weg nach Kathmandu bleiben wir nochmal in Bimalnagar stehen und klettern hier mit der lokalen Klettercommunity und unseren schweizer Freunden Chloé und Sevan. Wir genießen es hier wieder richtig, in der Natur zu campen, gemeinsam zu kochen und beim Lagerfeuer mit der Gitarre zu sitzen. Wir besuchen die hoch über Bimalnager liegende Stadt Bandipur, welche sich auf dem alten Handelsknotenpunkt zwischen Kathmandu und Pokhara auf einer Scharte befindet. Die Häuser erinnern in ihrer Bauweise an die Toskana.
Unser Stellplatz befindet sich direkt neben einem großen Fluss, in dem wir uns nach dem Klettern abkühlen können. Die Temperaturen unter Tags werden immer höher. Am Strand beim Fluss machen wir Acroyoga gemeinsam mit unseren Kletterfreunden und genießen die Zeit.
An einem Abend haben wir vergessen, unsere Hintertüren abzusperren und als wir nach einer kurzen Dusche im Fluss wieder zurückgekommen sind, haben wir bemerkt, dass die Türen geöffnet und unsere Kamera gestohlen wurde. Wir waren natürlich selbst schuld, dass wir nicht abgesperrt haben, aber dass es so schnell gehen würde, haben wir auch nicht erwartet. Wir befinden uns doch in einem sehr armen Land, was wir gerne mal vergessen, wenn wir einsam in der Natur campen. Mit der Hilfe der hilfsbereiten Schüler und Lehrer der angrenzenden Sanskrit-Schule konnten die Verdächtigen schnell ausgeforscht werden, ein paar Kinder aus dem Dorf, welche schon öfter aufgefallen sind. Auf deren Anraten haben wir die Polizei verständigt und wir haben nicht erwartet, dass diese so hilfsbereit und kompetent ist. Nachdem sie ein Kind verhört hatten, war klar, wo die Kamera zu finden war. Sie sind mit dem Kind am Scooter weggefahren und 10 Minuten später mit unserer Kamera wieder aufgetaucht. Die beiden Polizisten kennen alle Kinder im Dorf und wissen, wie sie mit ihnen reden müssen. Da hatten wir nochmal Glück und von da an versichern wir uns immer zwei Mal, dass alle Türen abgeschlossen sind.
Kathmandu
Kathmandu ist eine hektische Stadt. Wir parken bei einem Overlander-Treffpunkt außerhalb der Stadt und fahren mit dem öffentlichen Bus in die Stadt. Hier gibt es auch zwei Kletterhallen und Yogastudios. Es lässt sich also auch in Kathmandu einige Zeit aushalten. Kathmandu hat historisch viel zu bieten und die Schönheit der verzierten Tempel und mystischen Straßen zieht uns in ihren Bann. Wir besuchen viele buddhistische Stupas und die Augen Buddhas folgen uns überall hin.
Von hier aus unternehmen wir auch eine Wanderung weiter östlich, am Rande vom Langtang Nationalpark. In Nepal haben wir damit abgeschlossen, irgendwo mit unserem eigenen Auto hinzufahren. Die Straßen sind wirklich so schlecht, dass wir es vermeiden, einen unnötigen Meter mehr zu fahren. Dafür haben wir das volle nepalesische Erlebnis mit öffentlichen Bussen. Diese haben alle 4x4 Antrieb und fahren auf Straßen, welche wir maximal für einen Wanderweg gehalten hätten. So erkunden wir auch abgelegene Täler Nepals und sind fasziniert von der einfachen Lebensweise vom Großteil der 33 Millionen Menschen.
In Kathmandu finden wir heraus, was unser Ranger Baba mit den wandelnden Geldautomaten gemeint hat. Zu viele Menschen wollen vom Tourismus leben und nur die lautesten profitieren wirklich davon. Wir haben es aufgegeben, ohne Taxiapp eine Fahrt zu finden, da die Angebote sogar für europäische Verhältnisse übertrieben teuer waren. Auf der Straße werden wir alle 20 Meter von Leuten angesprochen, die unser Guide sein wollen oder uns irgendeine Attraktion oder Souvenir verkaufen wollen. Wenn wir am Markt nach dem Preis von Kleidung oder Gewürzen fragen, wird uns der 10-fache Preis gesagt. Verhandeln wollen die Marktstandler mit uns Weißen auch nicht, denn die aus dem Westen bringen so und so viel Geld in der Tasche mit nach Nepal und irgendeiner lässt sich am Ende des Tages immer finden, der den Preis bereit ist zu bezahlen. Weil wir schon im Rest von Nepal unterwegs waren, kennen wir die Preise für Lebensmittel und Alltagswaren. Menschen, die direkt hierher fliegen, müssen denken, dass Nepal ein teures Reiseland ist. Einfach durch die Straßen von Kathmandu zu gehen, fühlt sich so an, als wäre es nur okay, wenn wir dafür auch bezahlen. Wir finden trotzdem einen leistbaren Leih-Scooter, mit dem wir zum Klettern und Einkaufen fahren und finden Wege, Kathmandus Schönheit zu genießen, ohne Geld dafür zu zahlen.
Eine zweite Chance für Indien
Wir packen hier unsere Rucksäcke, um Indien eine zweite Chance zu geben. Diesmal wollen wir nicht mit unserem eigenen Fahrzeug nach Indien, sondern so wie die meisten mit dem Rucksack anreisen. Mittlerweile ist es Anfang Juni und das heißeste Monat in Nepal und Indien beginnt. Wir halten es für einen gute Idee, diesen heißesten Monat nicht im Van sondern in der Yogaschule zu verbringen. Unser Auto parken wir in Kathmandu bei der Werkstatt und wollen es in einem guten Monat wieder abholen. Wir haben uns am Weg nach Nepal in Rishikesh über einige Yogaschulen informiert und uns endlich für die Yogalehrerausbildung angemeldet. Also fahren wir mit einem öffentlichen Langstreckenbus von Kathmandu bis nach Delhi. 33 Stunden verbringen wir zusammen mit 50 Nepales*innen in diesem zum Glück klimatisierten Bus. Wir bleiben dreimal täglich bei Raststätten stehen, um zu essen und für die Toilette, ansonsten wird durchgefahren.
Delhi erreichen wir in den heißesten Tagen des Jahres. Es hat über 50 Grad unter tags und in der Nacht kühlt es nicht ab. Es ist kaum auszuhalten, draußen unterwegs zu sein, die Hitze brennt in den Augen und die Luftverschmutzung macht das Atmen noch unerträglicher. Wir sehen Menschen, welche abtransportiert werden, weil sie der Hitze zum Opfer gefallen sind. Dieses Jahr ist das heißeste, das es jemals auf der Erde gegeben hat. In Indien herrscht Wassermangel und Gebäude können nicht ausreichend klimatisiert werden. So viele Menschen leben auf der Straße und sind Tag und Nacht dieser unerträglichen Hitze ausgesetzt. Und wir sind mittendrin.
Nach den 33 Stunden Busfahrt nach Delhi steigen wir in einen weiteren Bus, der uns in 5 Stunden nach Rishikesh bringt. Dort verbringen wir halbwegs geschützt vor der gröbsten Hitze unsere Ausbildung in den Lehren des Yoga. Trotz, dass wir den Luxus einer Dusche und den kalten Fluss Ganges in der Nähe haben, ist Indien eindeutig kein Land, in dem man im Sommer sein will. In unserer Ausbildung gibt es wöchentlich Ausfälle, weil die meisten Menschen eine solche Hitze einfach nicht ertragen. Niemand sollte so einer unerträglichen Hitze ausgesetzt sein. Die ganze Stadt Rishikesh wartet sehnsüchtig auf den ersten Regen und die leichte Abkühlung der Monsunzeit. Doch als der erste Regen dann gefallen war, war die Luft so stark mit schwerer Feuchtigkeit angereichert, dass das Atmen nun noch schwerer fällt. Zu der Hitze mischt sich eine unerträgliche Feuchtigkeit, die einen ständigen Wasserfilm auf der Haut entstehen lässt. Zusätzlich wird nun der ganze Dreck, Müll, Staub und Kot, der sich in den trockenen Monaten auf der Straße und in den Straßengräben angesammelt hat, herausgespült. Die Straßen werden zu Dreckflüssen, in denen viel zu viele Menschen, Kühe und Fahrzeuge vorwärtskommen wollen. Nach einem Spaziergang muss man auf jeden Fall erstmal duschen. Zum Glück dürfen wir die Tage im halbwegs kühlen Yogaraum verbringen und die indischen Weisheiten lernen. Die Tage sind lange, der Wecker rüttelt uns um 4 Uhr aus dem Bett und erst nach dem Einbruch der Dunkelheit sind wir aus dem Training entlassen. Trotzdem leben wir uns in die körperlich und mental harte Routine ein und die vier Wochen vergehen schneller, als es uns lieb ist.
Zurück in Nepal
Nach unserer Ausbildung wollen wir uns nicht nochmal die dreitägige Busfahrt geben und buchen deshalb einen Flug. Leider wurde der erste der zwei Flüge abgesagt, weswegen wir in der Nacht in Delhi am Flughafen stranden. Doch wir werden von der Fluggesellschaft eingesammelt und in ein Hotel gebracht. Bei der Busfahrt zum Hotel stellen wir uns auf das schlimmste ein, sagen uns, wenn wir keine Bettwanzen bekommen, sind wir gut ausgestiegen. Als wir in dem Hotel ankommen, können wir unseren Augen nicht trauen. Die Fluggesellschaft bringt uns tatsächlich in eines der besten 5-Sterne Hotels von Delhi. Am Buffet gibt es frischen Salat, mit Nüssen und Käse und sogar Rinderfilets. Wir denken nach einem Monat zerkochtem Gemüsecurry im Yogaashram, dass wir im Himmel angekommen sind. Und draußen auf der Straße verdursten Kinder in der Hitze. Indien ist wild und die Gegensätze so groß wie wahrscheinlich sonst nirgends.
Am nächsten Tag bringt uns der nächste Flieger wieder nach Kathmandu zurück zu unserem Bus. In Kathmandu hat die Regensaison schon angefangen und zu der Hitze mischt sich eine unerträgliche Luftfeuchtigkeit. Als wir den Van nach einem Monat öffnen, sehen wir ein Bild der Verwüstung. Offenbar haben sich in den letzten Wochen Ratten bei uns eingenistet, welche vom Regen geflohen sind und die Sojamilchpackungen gerochen haben. Die nassen Ratten haben unsere neue Einrichtung angeknabbert und alles verwüstet, was nicht Niet- und Nagelfest war. Vor allem aber haben sie einen beißenden Zoo-Geruch hinterlassen. Die nächsten drei Tage verbringen wir damit, unseren Van komplett auszuräumen und alles mit verschiedensten Putzmitteln zu schrubben, um den Rattengeruch wieder loszuwerden. Zum Glück gibt es hier in Kathmandu viele Waschsalons, die einen Wäscheservice anbieten, so müssen wir nicht alles selbst reinigen. Nachdem wir alles, was wir besitzen, mindestens drei mal in der Hand hatten und mit Spüli, Salz, Kaffee, Putzmitteln und allerhand Räuchermaterial alles grundgereinigt haben, fragen wir uns schon wieder, warum wir uns nicht für eine angenehmere Art des Reisens entschieden haben. Aber Reisen ohne Problemchen wäre doch langweilig und wirklich angenehmeres Reisen, als mit dem eigenen Haus überall hinzufahren gibt es wohl kaum!
Nasser Abschied von Nepal
Der Regen wird hier immer stärker und wir entscheiden, Nepal zu verlassen und wieder nach Indien zu fahren. Dort ist es zwar gerade noch immer sehr heiß, aber der weiteste Punkt unserer Reise wurde hier in Kathmandu erreicht. Es ist an der Zeit, wieder zurückzufahren. Nun beginnt offiziell der Weg, der uns wieder westwärts bringt. Also machen wir uns am Weg zur indischen Grenze.
Am Weg dort hin wurden schon Teile der Straße verschüttet, da es in der Regensaison viele Erdrutsche gibt und die Situation wird mit jedem Tag schlechter.
Wir machen noch einen Halt im Chitwan Nationalpark und schauen den Fischern zu, wie sie nach Sonnenuntergang die Fische für uns mit einem Strohkorb aus dem Wasser fischen. Doch auch hier regnet es so stark, dass die Wiese unter unserem Van über Nacht 20cm unter Wasser steht. Hier in Nepal regnet es nochmal anders als irgendwo sonst. Es schüttet aus Badewannen vom Himmel, oft den ganzen Tag lang. Sogar bei unserem Dach drückt es das Wasser in den Bus und wir können die heiße Luft nicht rauslassen, weil sonst wirklich alles unter Wasser stehen würde. Dazu kommt noch, dass die vielen Mosquitos gerade Hauptsaison haben und sich über jedes Stück nackte Haut freuen. Der Regen zwingt uns wirklich, Nepal zu verlassen. Ein paar Wochen später sehen wir in den Nachrichten, wie Kathmandu unter Wasser steht und Menschen mit Booten in Sicherheit gebracht werden müssen.
Am nächsten Tag gönnen wir uns zum letzten Mal ein vorzügliches Dal Bhat und fahren danach wieder einmal zur indischen Grenze.
Etappe 13
1308km (mit dem eigenen Auto)
Comments