Unweit von Kerman befindet sich die Dasht-e Lut Wüste, der heißeste Ort der Erde. Im Sommer werden hier Temperaturen von über 70 Grad gemessen. Der Iran besteht zu zwei Drittel aus Wüste. Im Norden schließt die Dasht-e Lut an die Dasht-e Kawir an, im Westen wird sie vom Zagros-Gebirge begrenzt, was ein extrem trockenes Klima bedingt. Es gibt hier weniger als 50mm Niederschlag pro Jahr, deswegen gibt es keine gefunden Beweise, dass hier jemals Menschen gewohnt haben. Es gibt einige Nomaden, die heute noch am Rand der Wüste umherziehen.
Unsere Visa haben wir in Kerman verlängern lassen, um genug Zeit für ein weiteres Abenteuer im Iran zu haben. In ein paar Tagen sind wir mit dem Pärchen aus der Schweiz verabredet, um uns gemeinsam in das Abenteuer Wüste zu stürzen.
Die erste Nacht verbringen wir nach der Anfahrt über einen Bergpass, in einer relativ grünen Gegend. Es gibt hier zwischen den Büschen und Bäumen sogar das ein oder andere Haus zu bestaunen, welches mit ungebrannten Ziegeln gebaut wurde. Im letzten Dorf füllen wir unsere Wasserkanister auf. Hier sammeln wir noch Säcke mit trockenen Ästen für Lagerfeuer in der Wüste.
Am nächsten Tag fahren wir in den Teil der Wüste, welcher aussieht, als seien wir am Mond gelandet. Wir fahren durch eine atemberaubende Kalout-Landschaft, ein paar Kilometer weg von der Hauptstraße in das innere der Kalout-Wüste hinein. Kalouts sind Sandsteinformationen, die durch Wasser und Wind in den sand-steinigen Wüstenboden geformt wurden.
Dort treffen wir unsere Freunde und führen unsere Mountainbikes aus. So können wir den Teil erkunden, der für Fahrzeuge schwerer zu erreichen ist. Steiniger Boden wechselt sich mit sandigem, weichem ab. Wir machen Yoga bei Sonnenuntergang und René findet sogar eine Felswand, die stabil genug zum Bouldern ist. Am Abend gibt es Lagerfeuer und lustige Gespräche, bevor wir der endlosen Stille lauschen. Außer uns vier Menschen und dem Hund „Lucky“ gibt es weit und breit keine Lebewesen.
Am Rand der Wüste verläuft eine lange Straße, welche Kerman und Nehbandan miteinander verbindet. An dieser Straße gibt es nur am Anfang und am Ende der Wüste Dörfer. Ansonsten ist die Wüste komplett unbewohnt und menschenleer. Das merkt man auch daran, dass man nirgends Müll herumliegen sieht. Das ist echt selten irgendwo der Fall, deshalb fällt es uns sofort auf. Es gibt für Fahrzeuge keinen Grund, diese Straße durch die Wüste zu nehmen. Nur ein paar LKWs beliefern die zwei kleinen Orte am Beginn der Wüste und befüllen auch die zwei Tankstellen, die sich an der Hauptstraße befinden. Dort können wir, bevor wir weiter in die Wüste hinein und endgültig weg von der Straße fahren, nochmal Wasser und Diesel auftanken. Den Diesel bekommen wir geschenkt, das Wasser ist hier das rare Gut. Es schmeckt selbst aus der Leitung leicht salzig und schwefelig. Doch für so ein Abenteuer ist es immer gut, etwas mehr Wasser dabeizuhaben, bevor es offroad in die Mitte der Wüste geht. Wir wollen im Falle des Falles genug Wasser- und Dieselreserven haben, um diese Tour sicher durchziehen zu können.
Am nächsten Tag fahren wir über die Hauptstraße, welche durch eine Salzlandschaft mit extrem salzigen Flüssen und Salzseen führt. Dass wir hier in diesem trockenen Ort Wasser sehen, hätten wir uns nicht gedacht. Dieses Wasser kann aber nicht getrunken werden, weil der Salzgehalt so hoch ist.
Die Nacht verbringen wir im schon sandigen Teil der Dasht-e Lut. Es ist hier in der Nacht so leise, dass man sich flüsternd unterhalten kann. Nicht einmal Tiere sind in der Weite zu hören. Nur einen Wüstenfuchs sehen wir vorbeihuschen. Das ist ein spezielles Gefühl und macht uns unsere Einsamkeit an diesem Ort bewusst. Die Nacht ist so dunkel wie an nur ganz wenigen Orten der Welt und wir können gefühlt alle Sterne sehen. Es gibt hier keine Verschmutzung von Licht oder Lärm. Und das, obwohl die Hauptstraße, die durch die Wüste führt, gar nicht so weit weg ist.
In der Früh stehen wir im Dunkeln auf und beobachten, wie die Sonne langsam aufgeht. Dann fahren wir los. Es soll in das innere der Wüste gehen. Da, wo wir die Straße verlassen, beginnt der steinige Sand an manchen Stellen weicher zu werden und wir lassen Luft aus unseren Reifen, um nicht steckenzubleiben. Dann geht es 25 km durch eine immer gleiche Wüstenlandschaft. Wir orientieren uns an GPS-Tracks und Offline-Karten. Unsere Freunde haben ein 4x4-Auto und machen solche offroad-Abenteuer öfter. Unsere Elke ist zwar kein 4x4, aber dennoch mit ihrem Hinterradantrieb sehr offroad-tauglich. Kurz nach Sonnenaufgang haben wir den heutigen Tag gestartet und unsere Spuren in den Sand gefahren. Immer weiter fahren wir in dieses lebensfeindliche Paradies hinein. Links und rechts von uns schimmert Sand in der aufgehenden Sonne. Es fällt hier leicht, die Orientierung zu verlieren. Plötzlich tut sich vor uns eine riesige Schlucht nach unten auf. Gefühlt mitten in der Wüste befinden sich meterhohe Wände, welche sich in Wellenlinien einem kleinen Salzfluss zuschlängeln. Die Szenerie ist einzigartig. Hier frühstücken wir gemeinsam.
Dann verabschieden wir uns von unseren Freunden, denn unsere Wege trennen sich hier. Sie wollen die Wüste in den nächsten vier Tagen durchqueren. Ein waghalsiges Abenteuer, da es hier keinen Empfang gibt, keine Autos oder Menschen in der Wüste unterwegs sind und sie im Falle einer Panne niemanden um Hilfe bitten könnten. Die Hauptstraße ist jetzt sogar für uns außer Gehweite. Aber sie sind bestens vorbereitet und sich ihrer Sache sicher, weswegen wir ihnen viel Spaß wünschen und noch hinterherwinken.
Jetzt sind wir zwei allein. Mitten in der Wüste. Wenn wir beim Rausfahren stecken bleiben würden, könnte uns auch niemand helfen. Unser Wasser reicht noch für drei Tage, also machen wir es uns erstmal gemütlich. Wir genießen die endlose Ruhe und Einsamkeit. Es hat jetzt, Ende November, angenehme 25 Grad. Im Sommer ist diese Wüste der heißeste Ort der Erde und ein Aufhalten im Freien wäre unmöglich. Für uns ist diese karge Landschaft gerade das Paradies auf Erden.
Was wir im Iran noch nicht machen konnten, war draußen duschen. Irgendwie waren immer Menschen um uns herum oder zumindest in theoretischer Sichtweite. Also gönnt sich Vanessa mal eine warme Wüstendusche mit dem Wasser, das wir bei der Tankstelle ergattern konnten. Doch als sie den Duschkopf wieder an die Tür hängt, sieht sie in der Ferne Autos auf uns zusteuern. Es handelt sich dabei um eine deutsche Familie und ein schweizer Pärchen, die zufällig die gleiche Route wie unsere vor wenigen Stunden abgefahrenen Freunde vorhaben und unseren Spuren im Sand gefolgt sind. Was für ein Zufall! Diesen GPS-Track ist seit dem letzten Regen, wann auch immer es hier das letzte Mal geregnet hat, niemand mehr gefahren. Und gerade, als wir dachten, in kompletter Abgeschiedenheit zu sein und die ersten Spuren in den Sand gefahren zu sein, haben noch zwei weitere Camper die gleiche Idee, am gleichen Tag die gleiche Tour zu fahren. Es wird heute wohl doch nix mit der Einsamkeit und wir machen gemeinsam ein Lagerfeuer und verbringen einen gemütlichen Abend.
Bis jetzt sind wir auf unserer Reise noch nicht so vielen Campern begegnet, doch im Iran treffen wir dauernd auf Leute aus Europa. Sogar in der Wüste bekommt man unverhofft Gesellschaft von ihnen, das haben wir uns so nicht erwartet. Die zwei Fahrzeuge starten am nächsten Tag schon sehr früh, weil sie große Tagesetappen geplant haben und die Wüste ja schließlich riesig ist. So haben wir den Rest der Wüste doch noch für uns.

Als wir beschließen, wieder raus zur Hauptstraße zu fahren, erinnern wir uns nochmal an alle Instruktionen, die wir von unseren Freunden erhalten haben. Wir versuchen, das Tempo nicht zu drosseln, um nicht im weichen Sand einzusinken. Hinter uns staubt der Sand in die Luft. Links und Rechts von uns ist wieder nichts, wir versuchen, den gleichen Weg zurückzufahren, wie wir reingekommen sind. Der Weg nach draußen kommt uns länger vor als beim Reinfahren. Schließlich erreichen wir wieder die „sichere“ Hauptstraße. Auf dieser Straße haben wir auch noch ein paar hundert Kilometer zurückzulegen, bis wir auf der anderen Seite der Dasht-e Lut wieder rauskommen.
Die Straße sieht unendlich lang aus. Es geht gerade aus, bis die Straße im Himmel verschwindet. So fahren wir den ganzen Tag, bis es dunkel wird. Wir schlafen neben wilden Kamelen. Der Sand wird immer weißer und feiner. Bald gibt es wieder Zivilisation. Zunächst wird diese durch Dattelplantagen angekündigt, dann sehen wir Ziegenherden und Kamele mit einer Schnur um ihren Hals. Auf der anderen Seite der Wüste kommen wir im Bundesstaat Sistan-Baluchistan an. Unser Auto ist voller Sand, welcher sich durch das Salz in den Lack versucht, reinzufressen. Wir haben Sand in den Augen, in den Nasen, in unseren Lungen. Und ein riesiges Lächeln im Gesicht.
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