Wir sind unglaublich gespannt auf die Felsen im Iran und suchen mit voller Motivation Informationen aus dem Internet. Wir werden auf einen deutsch-iranischen Kletterreiseführer aufmerksam. Es gibt leider keine digitale Version und Gerti, Renés Mama, besorgt den Kletterführer in Österreich und schickt uns dann Bilder davon. Der Kletter-Führer ist leider nicht so hilfreich wie gedacht, er verweist jedoch auf ein Klettergeschäft in Tehran, welchem wir einen Besuch abstatten. In Tehran gibt es wieder unzählige Outdoorshops und viel Kletterequipment. In den letzten drei Ländern, wo wir unterwegs waren, gab es sowas gar nicht. Das Equipment ist zwar unglaublich teuer, weil es ausländische Ware ist und darauf extrem hohe Steuern bei der Einfuhr anfallen, aber die paar iranischen Dinge, die es gibt sind auch hochwertig und preiswert. Wir finden einen Kletterführer mit vielen Gebieten im Iran, welchen wir günstig ergattern.
Die meisten Informationen bekommen wir allerdings von der Webseite "thecrag" und schließlich von anderen Kletterern. Im Iran gibt es wieder eine große Klettercommunity, die auch sehr aktiv neue Gebiete erschließt. Zum Glück finden wir uns in der persischen Sprache schon ein bisschen zurecht, denn die meisten Routen und viele neue Gebiete gibt es nur online und auf persisch.
Das sind die Gebiete, die wir auf unserem Weg durch den Iran mitgenommen haben:
Baraghan
Die Anfahrt nördlich von Karadsch verläuft über eine steile Bergstraße, die auf den letzten Kilometern in eine Schotterstraße übergeht. Wir erreichen das Gebiet im Dunkeln und parken neben dem engen Canyon und der Straße. Im hellen Vollmondlicht sehen wir den Umriss der großen Höhle auf der anderen Seite des Canyons. Wir haben einen schönen flachen Schlafspot gefunden und sind gespannt auf den nächsten Tag. Gestärkt machen wir uns in der Früh auf den Weg zum Gebiet und sehen von der Weite aus schon einige Kletterer in der Höhle. Wir wählen als Zustieg einen etwas steileren Weg, später stellt sich heraus, dass es einen angenehmeren gibt. Wir unterhalten uns mit den Kletterern und bekommen sofort ein paar Klassiker empfohlen. Die Kletterei ist sehr steil und überhängend und fühlt sich nach unserer kleinen Kletterpause sehr ausdauernd an. Die Klettercommunity kommt hier nur her, um schwierige Routen zu Projektieren. Die Kletterer erzählen uns während einer kurzen Pause, dass sie das Auto immer in Sichtweite parken, da ab und zu etwas gestohlen wird. Er sagt die Chance ist 50/50, dass unser Auto aufgebrochen wird. Wir sind verunsichert, die Chance, dass jedes zweite Auto aufgebrochen wird, ist uns zu hoch und wir parken das Auto um. Als wir zurückkommen, erzählt er uns genaueres und ihm rutscht raus, dass die Chance vielleicht weniger als 50/50 ist. Es ist ein bestimmter Typ aus dem Dorf, den die Polizei schon kennt. In den letzten 8 Jahren ist es ungefähr drei mal vorgekommen, dass etwas gestohlen wurde, aber die Dinge konnten immer wiedergefunden werden. Na gut. Die Iraner und ihr komisches Sicherheitsbedürfnis.
Bei einer Route, die er uns empfiehlt fehlen die ersten 3 Bohrhaken, anscheinend Schrauben die Einheimische ab, weil sie die „Kletterer aus der Großstadt“ nicht mögen. Unser Freund schraubt uns zwei Bohrhaken hinein und wir klettern eine fantastische senkrechte Kletterei mit einem kleinen Überhang. Das Gebiet ist es ein voller Erfolg und einen Tagesausflug von Tehran oder Karadsch wert. Es ermöglicht Projektieren in den oberen Schwierigkeitsgraden im Dach der großen Höhle. Für Anfänger*innen ist es hier nicht ideal.
Die zweite Nacht wollen uns die Kletterer dort nicht schlafen lassen. Das können sie nicht mit sich vereinbaren, dass ihre Gäste ganz allein in der Nähe von einem Bergbaugebiet schlafen. Wir fahren also in das nächste Dorf und schlafen außerhalb neben einem Fischteich.
Nachdem wir die Großstadt Tehran erkundet haben, peilen wir eine Felswand nördlich von Tehran an.
Azgi
Das Gebiet liegt nördlich von Karadsch und ist ca. 40km vom Stadtzentrum von Tehran entfernt. Wir bekommen auch hier wieder von vielen Kletter*innen Routen-Empfehlungen. Die Routen sind schön gebohrt und die Schwierigkeitsgrade realistisch angegeben. Es gibt Routen in fast allen mittleren Schwierigkeitsgraden. Die Kletterwand befindet sich direkt neben der Straße, wo vor allem am Wochenende viele Tagesausflügler aus Tehran vorbeifahren und über die Kletter*innen und die Sicht über die Stadt staunen. Gegen Abend kommen wir mit gleichaltrigen Kletterern ins Gespräch und bekommen eine Einladung zum Essen und Biertrinken. Es ist sehr kalt, wenn die Sonne nicht mehr da ist und der Faktor Bier macht es uns zusätzlich schwer, abzulehnen. Statt „über“ Tehran zu schlafen, schlafen wir „in“ Tehran und verbringen einen lustigen Abend mit unseren neuen Freunden.
Pol e Khab
Das Gebiet haben wir in unserem Kletterführer aus Tehran schon komplett durchgestöbert. Das Gebiet umfasst über 200 Kletterrouten und ist somit das derweil vielversprechendste. Wir nutzen einen Regentag für die Anreise in die Bergregion des Alborz-Gebirges und kommen gegen Abend bei den Wänden an. Wir parken sehr nahe bei den Wänden, aber auch nahe an der Straße. Das Tal ist wieder sehr eng und hier gibt es viel Verkehr, weil zur Zeit eine Straße wegen Steinschlag gesperrt ist. In der Früh sind wir überwältigt von der riesigen Felswand, die vor unserer Windschutzscheibe auftaucht. Wir packen unser Zeug und auch hier treffen wir auf viele coole Kletter*innen. Wir bekommen wieder Empfehlungen für tolle Routen, was sehr hilfreich ist bei dieser riesigen Auswahl. Hier gibt es auch mehrere Mehrseillängenrouten, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen dürfen. Ein paar Monate vor uns war Stefan Glowacz hier in der Gegend und hat neue alpine Routen erschlossen.
Gegen Abend kommen wir gleichzeitig mit anderen Kletterern zurück zum Auto und einer fragt uns, ob wir auch im Camp von den anderen Kletter*innen schlafen wollen. Nachdem er die Besitzerin gefragt hat, fahren wir den anderen zur alten Schule des Dorfes nach. Wir freuen uns über das Angebot und wenige Minuten später sind wir an einem ruhigen Parkplatz, wo wir gratis heiß duschen dürfen und die nächsten 4 Tage verbringen werden. Es stellt sich später heraus, dass der Kletterer, mit dem wir geplaudert haben, Hassan Gerami ist. Also der Autor des Kletterführers und ein top Kletterer. Die vielen anderen Keltter*innen sind in diesem Camp untergebracht, weil die nächsten Tage die iranischen Mehrseillängenmeisterschaften stattfinden und einige Routen dafür belegt sind. Das Gebiet ist so riesig, dass das kein Problem darstellt und Hassan empfiehlt uns einige Routen, welche tolle abwechslungsreiche Klettereien bieten.
Die nächsten Tage klettern wir jeden Tag in dem Gebiet Pol e Khabza, welches sich gleich gegenüber von der Schule befindet. Die Tage sind wunderschön und warm, während die Temperaturen in der Nacht auf unter Null rutschen. In der Früh treibt es uns wegen der Kälte hinauf zur warmen Wand, wo wir den ganzen Tag verbringen und uns am Abend mit den anderen Kletter*innen über unsere Routen austauschen. Obwohl bei uns im Camp der alten Schule die iranischen Kletterchampions wohnen, sind wir die Stars. Alle wollen Fotos mit uns und auch welche sehen aus dem Land, aus dem wir kommen. Wir sind uns einig, in Österreich sieht es fast so aus wie hier.
Nachdem sich Vanessa in der Tehraner Ubahn einen Virus eingefangen hat und die Nächte in Tehran selbst zu kalt werden, fahren wir nach Isfahan. Zunächst ist nicht sicher, ob wir in den Klettergebieten von und rund um Isfahan klettern werden oder weiter in den Süden fahren, wo es wärmer ist. Der Virus ist mittlerweile auch auf René übergegangen und wir erholen uns unter den warmen Duschen eines Hostels in der Stadt Isfahan, wo wir wieder gratis parken dürfen.
White mountain
Dieser imposante Felsblock steht mitten in der Stadt Isfahan. Hier verbringen wir nach unserer Immunisierung einen Klettertag. Es gibt hier die beste Kletterroute der Welt. Zumindest sagen das die Locals. Die Route nennt sich Titanic und hat im 8. Schwierigkeitsgrad Henkel, die man nur in der Kletterhalle vermuten würde. Wer die Route nicht geklettert ist, glaubt nicht, dass sie wirklich existiert.
Wir treffen auch wieder auf viele einheimische Kletter*innen und schießen Fotos, tauschen Instagram und Süßigkeiten aus. Ein Klettertrainer empfiehlt uns ein Klettergebiet in der Nähe von Isfahan, das sehr neu ist und nur auf einer persischen Webseite existiert. Ein echter Geheimtipp, der sich als das pure Paradies herausstellt.
Shahnameh
Wir erreichen das Gebiet zum Sonnenuntergang und sind sofort begeistert. Viele Klettergebiete befinden sich im Iran neben Highways, vielbefahrenen Straßen oder einer großen Stadt und sind meistens sehr lärmbelastet.
Dieses Gebiet befindet sich zum ersten Mal weiter weg von der nächsten Stadt, in einem wüstenähnlichen Kegel umgeben von Kletterfelsen und wir genießen die Ruhe. Endlich wieder direkt neben den Felsen parken, einsame Wände und 5 Minuten Zustieg, danach haben wir uns gesehnt!
Zusätzlich kommen zwei weitere Reisende aus Deutschland zum Klettern vorbei, die wir am Hostelparkplatz in Isfahan kennengelernt haben. René ist noch nicht ganz fit, Vanessa geht es wieder besser. Wir genießen die Stille des Canyons und die unglaublich schönen senkrechten Routen. Hier ist in jedem Schwierigkeitsgrad was dabei, bis jetzt sind hier fast 150 Routen gebohrt worden und es gibt noch viel Potenzial. Der Fels fühlt sich wie unberührt an, ist sehr kompakt und wir genießen Route nach Route.
Am Abend wärmen wir uns am Lagerfeuer und hören den Schakalen beim Heulen zu.
Darregahan Canyon
Dieser Canyon befindet sich in der Nähe von Yazd und ist das für uns letzte Klettergebiet bis Islamabad, Pakistan. Wir schlafen wieder direkt gegenüber der Wand, jedoch wieder weniger ruhig als unser letztes Gebiet. Der Parkplatz ist ein beliebtes Ausflugsziel der nahegelegenen Städte Yazd und Taft. Die Menschen feiern und campen hier.
Am ersten Tag klettern wir an einer senkrechten Wand mit Blick auf unseren Bus. Am zweiten Tag machen wir uns schwer bepackt auf den Weg in den trockenen Canyon. Der Zustieg besteht schon aus einer kleinen ausgesetzten Kletterei, bis wir nach gut einer Stunde das Ende des Canyons und die Routen erreichen. Wir klettern einige schöne Routen im engen Canyon und schlagen dann unser Lager für die Nacht auf. Bei Anbruch der Dunkelheit suchen wir einiges an Holz zusammen und verbringen den Abend neben dem Lagerfeuer. Zu hören ist hier nichts außer das Knistern des Feuers und irgendwo plätschert Wasser. Am nächsten morgen machen wir uns gemütlich auf den Rückweg aus dem Canyon. Das erfordert das Abklettern von trockenen Wasserfällen und schließlich einen Abseiler über die letzte Kante durch ein Felsloch hindurch.
Das waren nicht alle Klettergebiete, die es im Iran gibt, sondern nur diejenigen, die direkt an unserer Route durch den Iran nach Pakistan lagen. Wir wollen auf jeden Fall wieder hierherkommen und die anderen schönen Gebiete genießen und mehr Mehrseillängen und alpine Klettereien machen, die es in den Gebirgen gibt.
Wenn ihr jetzt Fernweh habt und unbedingt auf den kompakten Felsen des Iran klettern wollt, schreibt uns gerne ein Kommentar oder eine Email. Wir versorgen euch gerne mit Links, Tipps und Kontakten!
Comments