Nach einer lagen Eskorte und viel Sitzen in unserem Bus Elke sehnen wir uns wieder nach Bewegung und nach Felskontakt. Am Stadtrand von Islamabad entdecken wir im Internet ein paar Kletterspots in den Margalla Hills. "Mar“ bedeutet auf Persisch Schlange und "galla“ heißt Herd. Was übersetzt bedeutet: ein Platz mit vielen Schlangen. Die Margalla Hills sind eine Hügelkette aus Kalkgestein, die Islamabad einkesseln und einen gleichnamigen Nationalpark beherbergen. Es gibt in Islamabad eine kleine aber durchaus aktive Klettercommunity. Viele Routen wurden von ausländischen Kletterern eingerichtet, die wegen dem Job in Islamabad wohnten. Einige der einheimischen Kletterer sind in den Sommermonaten als Bergführer im Norden Pakistans unterwegs und jetzt im November und Dezember, also in der Nebensaison, in Islamabad zum Klettern. Im Sommer sind die Wände um Islamabad sowieso viel zu heiß zum Klettern.
Jungle Rock
Wir parken bei einem Park mit einer wunderschönen Aussicht über Islamabad. Die herumlaufenden Affen sind neugierig und auch wir sehen zum ersten Mal diese andersartigen wilden Tiere. Hier sollte man nach Sonnenuntergang nicht mehr klettern, da es in den Wäldern Leoparden gibt, die regelmäßig Menschen angreifen. Die Kletterwand hat bei der Anfahrt schon etwas aus dem Dschungel gelacht. Wir machen uns bei angenehmen Temperaturen auf zur Wand, es steht eine 30-minütige Wanderung bevor. Der Platz wird seinem Namen gerecht und wir stehen mitten im Dschungel vor einer 30 Meter hohen Felswand mit zahlreichen Routen.
René entdeckt eine Route, welche zum Projekt für die nächsten Tage wird und ihm viel Blut und Schweiß abverlangt.
Wir treffen dort lokale Kletterer und ein paar Tage später klettert René mit Muizz sein 7c Projekt, perfekt zum Jahresabschluss 2023.
Legacy Wall
Nach einigen Tagen in Jungle Rock, empfiehlt uns Muizz einen weiteren Spot. Wir treffen unseren Freund beim Parkplatz und machen uns gemeinsam auf den steilen Weg zur Kletterwand mit toller Aussicht über Islamabad. Die leichten Routen sind sehr abgeschmiert, oder nicht vorhanden. Viele Routen teilen sich den selben Einstieg, weswegen die ersten paar Meter seehr schmierig sind und es zu Staus kommt. Im Bereich ab 7a sind die Routen in besserem Zustand. Wir verbringen einen tollen Klettertag und kommen ins Quatschen mit der kleinen motivierten pakistanischen Klettercommunity.
Fahad, einer der Kletterer, schlägt vor, nächstes Mal mit ihm in das Gebiet Mastodon zu fahren, wo er fleißig Routen bohrt. Muizz bringt uns mit seinem Motorrad zurück zum Bus. Zu dritt am Motorrad mit drei Kletterrucksäcken ist in Pakistan kein Problem.
Belvedere
Wieder mit dem Taxi lassen wir uns in das kleine Bergdorf Saidpur bringen und gehen an den spielenden Kindern vorbei Richtung Wald und Steinwänden. Der Zustieg zur Kletterwand stellt sich als abenteuerlicher heraus als erwartet. Die Kletterwand ist schon sichtbar und unsere Schweizer Freunde Sevan & Cloé winken uns. Der Zustieg über die letzten 50 Höhenmeter ist nicht ersichtlich und wir wählen den direkten kürzesten Weg, welcher schon eine kleine Kletterei zum Aufwärmen dabeihat. Dort gibt es die einzigen Kletterrouten in Pakistan, die unter dem Schwierigkeitsgrad 6a sind. Die Aussicht ist traumhaft und es ist ruhig. Wir verbringen dort einen gemütlichen Tag und genießen die Aussicht und den letzten Tag des Jahres 2023.
Mastodon
Mastodon ist ein Verwandter des Mammuts und Elefanten. Das Gebiet heißt so, weil es von weiter weg wie ein Mastodon aussieht. Hier finden wir auch viele große Schlangenhäute. Nach einem Biss einer solchen Schlange hat man eine Stunde Zeit, um ins Krankenhaus zu kommen, erzählt uns Fahad. Gerade ist es den Schlangen aber zu kühl und sie verstecken sich lieber. Einen Tag verbringt René mit Fahad und einem Kollegen im Gebiet. Fahad erzählt René, dass es hier noch viel Potenzial für Routen gibt und wir eine Route bohren dürfen, wenn wir wollen.
Durch die Visaverzögerung haben wir in Islamabad sowieso mehr Zeit, als geplant, also nehmen wir das Angebot gerne an. Fahad stellt uns das ganze Equipment zur Verfügung. Die Bohrhaken nehmen Freunde und auch Kund*innen aus dem Westen mit nach Pakistan, denn den pakistanischen Billighaken vertrauen unsere Kollegen hier nicht. Wir merken, wie teuer es ist, eine Route zu bohren, da Bolts und Stände schon in Europa echt nicht günstig sind. Wenn man bedenkt, dass das Einkommen in Pakistan ein Bruchteil von dem in Europa ist, bedarf es großer Leidenschaft, Routen einzurichten.
Vanessa und Fahad richten am Top der Wand einen Stand ein und Fahad seilt sich ab, um die senkrechte Wand grob von losen Felsen und Gestrüpp zu putzen. Danach seilt sich René in die Route ab und bemerkt, dass der große Block ganz oben auf der Wand locker ist. Er entfernt den riesigen Block und bricht am Wandfuß damit gleich ein paar Bäume und Äste ab. Danach darf Vanessa die Route als erste Toprope klettern und gute Bohrhakenpunkte markieren. Auch René, Fahad und ein dazugestoßener Freund können es nicht erwarten, in die neue Route einzusteigen. Ein spannendes Gefühl, in eine Route ohne Schwierigkeitsgradbewertung einzusteigen. Wir bohren unsere ersten Löcher und befestigen unsere ersten Bohrhaken an den Stellen, wo wir die Klippposition und den Abstand als gut befinden.
Wir haben uns das Ziel gesetzt, eine 6a Linie zu suchen, weil es hier noch keine Route in diesem Schwierigkeitsgrad gibt. Am Ende ist es wahrscheinlich eine 6a+/ 6b geworden und sie trägt den Namen "REVAN“. Vielen lieben Dank an Fahad für diesen großartigen Tag und für das zur Verfügung stellen der Expertise und des Equipments! Wir beenden den erfolgreichen Tag mit einem Besuch in einem lokalen Restaurant.
Am nächsten Tag gibt es Neuigkeiten in unserem Visaprozess und wir verlassen Islamabad, ohne die Route mit allen gesetzten Bolts durchzuklettern, doch wir sind uns sicher, dass wir wieder hierher zurückkommen werden, um das Projekt "REVAN" zu beenden.
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