Wir besuchen die Schluchten Cava d’ Ispica und die von Pantalica. Die tiefen Schluchten, die sich hier im Süden und Osten Sitiliens auftun, begeistern uns. Jahrtausende lang oder länger haben die Flüsse ihren Weg durch den Kalkstein gespült und teils riesige, kilometerlange Canyons hinterlassen. Seit ein paar tausend Jahren werden diese Schluchten auch bewohnt und bewirtschaftet. Die Menschen schlugen Wohnungen, Wasserkanäle, Gräber, Klöster und sogar Burgen in die hunderte Meter hohen Felswände. Ein bisschen können wir uns hineinfühlen in das Leben in einem fünfstöckigen „Wohngebäude“ aus Stein. Überall in den Schluchten zeugen eingeschlagene Felstreppen und Wege von der damaligen Zivilisation. Unser erster Stopp ist die Schlucht „Cava d‘Ispica“. Diese Schlucht wählen wir wegen den toll beschriebenen Kletterrouten in unserem Kletterführer. Dort haben die heftigen Unwetter im Jänner ihre Spuren hinterlassen, die Straße, die normalerweise in die Schlucht zu einer Hütte führt, ist komplett weggespült. Wir haben Mühe, den Bus in der Dunkelheit um die sehr engen Kurven zu bringen, parken aber dann doch noch am Talgrund unter Nuss- und Organgenbäumen. Hier ist die Luft feucht und spürbar kälter wie oben, Handyempfang gibt es keinen, auch keine anderen Menschen, nur Eulen sind in der Nacht hörbar, also perfekte Bedingungen für ein echtes Abenteuer. Am nächsten Tag, bei den Kletterwänden, bestaunen wir schon die ersten Steinwohnungen, durch welche eine Kletterroute durchführt, welche wir auch genau desewegn unbedingt klettern wollen.
Mehrere Zimmer im dritten Stock mit Ausblick auf die Schlucht und die darin befindlichen Orangen- und Olivenbäume, ein Traumplatz. Von dort oben haben wir Übersicht zu den anderen Felswohnungen und Grabstätten. Wir beschließen, am Tag darauf diese Felsenstadt zu erkunden. Wir sind außer den zwei Bauarbeitern, die versuchen, das was von dem Weg übrig geblieben ist, wieder gleichzubaggern, die einzigen Menschen, die sich hierher verirrt haben. Nacheinander inspizieren wir eine Steinwohnung um die andere und sind begeistert von der Präzision, mit welcher die eckigen Zimmer über mehrere Stockwerke mühevoll in den Stein geschlagen worden sind. Seit der Beonzezeit werden diese Täler besiedelt, worauf Funde in den Gräbern schließen lassen. Nach ein paar Wanderstunden erreichen wir das „Castello“, die Steinburg. Hier führen Leitern in die oberen Stockwerke. Es wurden Brunnen mit riesigen Wasserreservoirs ausgeschlagen, um ein autarkes Leben zu ermöglichen. Von der Schluchtkante oben deutet wenig auf eine Burg oder eine Zivilisation hin. Versteckte Wege und Tunnel führen nach unten, weswegen die Besiedelung der Felswände erst durch ein starkes Erdbeben im 17. Jahrhundert beendet wurde. Der Großteil der Außenwände ist zusammengestürzt und in den Canyon hineingebrochen. Überlebt haben ein paar wenige Häuser aus gelegten Steinwänden auf der Ebene oberhalb der Schlucht. Auch im Tal der Schlucht gibt es noch ein paar Steinhäuser, die teilweise noch immer bewohnt werden. Wir sind erstaunt, dass wir die einzigen sind, die durch die langen Täler wandern und auch davon, dass alle Felswohnungen und Gräber mit ein bisschen Klettergeschick und Ausdauer frei zugänglich sind.
Wir bleiben hier länger wie geplant, hier entscheiden wir auch, uns mehr Zeit zu lassen und der ursprüngliche Zeitplan wird umgeworfen und neu geplant. Als uns das Wasser und auch Essen langsam ausgeht, schlängeln wir uns wieder raus aus der Schlucht nach oben.
Ein paar Kilometer weiter östlich liegt die Schlucht und das Weltkulturerbe „Pantalica“, welche wir für unser nächstes Abenteuer anfahren. Die Nekropole Pantalica ist eine Totenstatt aus 5000 Gräbern, die in den Kalkstein geschlagen wurden. Hier fließen sogar noch Flüsse durch die zwei Schluchten, welche die Städte Ferla und Sortino trennen. Sogar ein paar Kletterrouten wurden hier in die hohen Felswände gebohrt, aber das Abenteuer liegt für uns diesmal woanders. An den steilen Klippen führen teilweise alte Felsstufen zum Fluss hinunter, meistens kämpfen wir uns aber durch dichte Dornenranken und erschrecken ein paar Eidechsen und Schlangen bei ihrem Sonnenbad. Im Flussbett der Schlucht angekommen tut sich uns eine andere Welt auf. Klares, wildes Wasser bahnt sich seinen Weg durch den Canyon. Für Wege ist hier kein Platz, aber an der Wand entdecken wir einen Kanal, der für die Wsserversorgung der nahe gelegenen Felsstadt geschlagen wurde. Wir wandern ein Stück durch den Kanal, der sich durch die Felswand schlängelt, bis wir zu einer Stelle kommen, wo der Kanal in die Tiefen der Felswand mündet. Dort steigen wir aus und wandern durch den Fluss.
Die tieferen Stellen nutzen wir, um mal wieder zu baden. Das Flussbett ist ein Paradies, die Sonne scheint und alles, was wir hören, sind Vögel und das Wasser. Nach ein paar Stunden wandern im Fluss erreichen wir mühsam einen Weg, welcher uns bei einer wegen den Unwettern abgeschnittenen und verlassenen kleinen Orangenplantage vorbeiführt. Die reifen Orangen, Grapefruits und Zitronen liegen kiloweise am Boden, bereit, von uns verschlungen zu werden. Für später füllen wir noch den Rucksack an und freuen uns noch lange über die süßesten und saftigsten Orangen, die wir je gegessen haben.
Am nächsten Tag beschließen wir, noch mehr von den teilweise riesigen Felsengräbern zu besichtigen. Diesmal geht es am Rand der Schlucht über einen buschigen Hang durch Dornengeflecht bergauf, wo die Eingänge der Gräber hoch über der Schlucht wachen. Bis zu sieben Personen fanden hier übereinander Platz. Die Räume sind dementsprechend hoch. In mehreren Grotten finden wir Tunnel, aus welchen warme Luft strömt und die sich tief im Felsen verlaufen. Teilweise wurden diese Gräber im Laufe der Geschichte zu Wohnungen und christlichen Kapellen umgebaut, wir sehen sogar noch ein altes Wandbild in einer Kapelle. Steil führt ein alter, verwachsener Trampelpfad am Rand der Schlucht von einer Grabstatt zur nächsten. Wie die Menschen ihre Toten in die einzelnen Gräber transportiert haben, ist ebenso erstaunlich, wie die präzise Machart. In dieser Schlucht von Pantalica zeugen an manchen Stellen für Touristen errichtete Zäune und Wegweiser davon, dass hier im Sommer wohl mehr los ist, aber an diesen Tagen im März sind wir wieder mal allein zu zweit mit den wilden Canyons.
Auf unserem Weg die Ostküste hinauf kommen wir durch die Kletterspots, welche uns empfohlen wurden, immer wieder in solche atemberaubende, wilde Gegenden, wir können nicht genug kriegen von den steil abfallenden Kalksteinwänden und den blauen Flüssen darin.
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